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Aktuell Verkauf

Handelsverband fordert Öffnung des Einzelhandels

Einzelhandelsgeschäfte und Gastronomiebetriebe sind seit Mitte Dezember geschlossen – und es gibt keine Öffnungsperspektive. ACH
Das Modehaus Zinser in der Reutlinger Wilhelmstraße. Foto: Frank Pieth
Das Modehaus Zinser in der Reutlinger Wilhelmstraße.
Foto: Frank Pieth
STUTTGART. Der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) wirft einen neidvollen Blick Richtung Saarland. Dort dürfen alle Geschäfte unabhängig von der Größe und Branche öffnen. HBW-Präsidenten Hermann Hutter sieht darin eine Ungerechtigkeit, »wenn auf der einen Straßenseite verkauft werden darf und auf der anderen nicht«.

Dennoch gibt ihm die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Saarlouis Mut: »Wenn man das Urteil anschaut, dann wird uns in allen Punkten die wir fordern, recht gegeben. Wir sind auf dem richtigen Weg.« Auch Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein haben den Handel komplett geöffnet, teilte Sabine Hagmann, Hauptgeschäftsführerin des HBW, mit.

Deshalb hat der Verband erneut von der Politik gefordert, den gesamten Einzelhandel wieder regulär zu öffnen »und damit die Nachvollziehung des Beschlusses des OVG Saarland zur Corona-Verordnung im Einzelhandel«. Dort ging es um eine erfolgreiche Klage eines Computergeschäfts in Saarlouis, das sich dagegen wehrte, Kunden nur nach Terminvereinbarung in die Geschäftsräume hereinzulassen.

»Der Beschluss des OVG könnte auch Beispiel sein für den Verwaltungsgerichtshof Mannheim, bei dem noch Klagen gegen die Corona-Verordnung Baden-Württembergs anhängig sind. Insofern ist das Urteil auch deswegen vergleichbar, da die Verordnungen für den Einzelhandel in Baden-Württemberg und im Saarland inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen.« Der Verband drängt zudem auf bessere Entschädigung des Handels und schnellere Auszahlung der Überbrückungshilfen.

Zinser scheitert vor Gericht

Auch in Baden-Württemberg seien einige Klagen noch am Laufen. Vergangene Woche ist aber der Versuch der Modehäuser von Zinser mit Hauptsitz in Tübingen negativ ausgefallen, teilte Sabine Hagmann mit. Sie rechnet ohnehin damit, dass die zuständigen Ministerien knapp vor der Wahl keine Aussagen treffen werden. Nach der Wahl, so die Vermutung von Hagmann, wird das Urteil vom Saarland auch in Baden-Württemberg berücksichtigt: »Da bin ich mir ganz sicher«.

Bisher sind in Kreisen mit Inzidenzen zwischen 50 und 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen für die meisten Geschäfte nur Einkäufe nach Terminvergabe (Click & Meet) erlaubt. Erst bei einer stabilen Inzidenz unter 50 sind für diese Betriebe reguläre Öffnungen unter Auflagen möglich. Generelle Ausnahmen gelten etwa für Supermärkte und Drogerien, neuerdings zudem für Buchhandlungen und Blumenläden: Diese dürfen auch in Regionen mit hohen Inzidenzen geöffnet bleiben.

In diesem Zusammenhang hat der Branchenverband in dieser Woche 600 Händler in Baden-Württemberg befragt. Die Mehrheit der Befragten bewerten die teilweise Wiedereröffnung des Einzelhandels mit gut. 18 Prozent der Befragten sind mit der Wiedereröffnung nur ausreichend zufrieden und weitere knapp 25 Prozent bewerten die Wiedereröffnung mit einem »mangelhaft und ungenügend«.

Die absolute Mehrheit der Händler fürchtet sich laut der Umfrage vor steigenden Inzidenzwerten und einer möglichen dritten Corona-Welle. Die Sorge vor erneuten Schließungen ist demnach groß. Es besteht die Befürchtung, dass Sofort- und Überbrückungshilfen – wie auch im ersten Lockdown – verzögert ankommen.

Der Großteil der Befragten erzielte im Jahr 2020 lediglich 50 Prozent des Vorjahresumsatzes. Allerdings befand sich der Einzelhandel Anfang März 2020 im Vorlockdown, weshalb die Zahlen bereits 30 Prozent unter dem Vorjahr (2019) lagen.

Die Hälfte der Befragten gaben an, Click & Meet anzubieten. Auf Anfrage der Presse, ob dieses Verkaufsmodell gewinnbringend ist, antwortete Hutter: »Das lohnt sich nicht.«

Roland Reischmann vom Modehaus Reischmann in Ulm berichtete: »Seit der Wiedereröffnung haben wir in unseren Geschäften 30 bis 50 Prozent weniger Kundenfrequenz, und es gibt keinerlei Einkaufstourismus. Die Schließung des Handels ist nicht gerechtfertigt.« (GEA)