HAYINGEN. Über viele Wochen stand coronabedingt auch im Tourismus auf der Alb alles still. Dann kam am 18. Mai die schrittweise Öffnung für Ferienwohnungen und Urlaub auf dem Bauernhof. Im Nachhinein eine richtige Entscheidung, wie Guido Wolf, Justizminister von Baden-Württemberg und zuständig für den Tourismus, jetzt erfahren hat. Viele Deutsche machten im Corona-Jahr Urlaub im Ländle. Auch in Hayingen bei Traudl Brunner sind die 88 Gästebetten – verteilt auf mehrere Häuser – voll.
Sie ist die Vorsitzende des Landesverbandes Urlaub auf dem Bauernhof und lobte das Vorgehen der Landesregierung: »Es war die richtige Entscheidung, ab dem 18. Mai den Landtourismus und Urlaub auf dem Bauernhof wieder zu ermöglichen«, betonte sie. Zwar könne nicht der komplette Ausfall kompensiert werden, dennoch sei die Lage derzeit sehr gut. »Wir haben genau verfolgt, wer sich in der Politik für den Landtourismus einsetzt, und befanden uns in stetigem Austausch.«
Mehr als ein Zubrot
Vor allem bei Betrieben mit Landwirtschaft habe ein Urlaubsboom eingesetzt, Regionalität sei intensiver in den Köpfen der Verbraucher angekommen. So haben sich viele Betriebe besondere Angebote einfallen lassen, wie etwa Frühstücksservice, Lunch-, Grill- und Picknickpakete: »Wir alle mussten innovativ unterwegs sein«, betonte Brunner. Denn für viele Bauernhöfe sei mittlerweile der Tourismus nicht nur ein Zuerwerb, sondern die Haupteinnahmequelle. 48 Prozent aller Ferienhöfe in Baden-Württemberg sind durch den Lockdown wegen Corona in Liquiditätsengpässe gekommen. Drei von vier Betrieben beantragten beim Staat im Durchschnitt 9 000 Euro Soforthilfe und bekamen diese zum größten Teil auch bewilligt. Guido Wolf konnte für Hotels und Gastronomie zwar noch keine Entwarnung geben, weil es nach wie vor an Geschäftsreisenden und Städtetouristen fehle: »Normalität ist noch lange nicht angesagt.« Er geht davon aus, dass für manche Betriebe die Durststrecke erst nach dem Sommer kommt, wenn Außengastronomie nicht mehr möglich ist. »Deshalb müssen wir unsere Hilfsprogramme auch über den September hinaus verlängern.«
Die frühzeitige Öffnung für Ferienwohnungen und Urlaub auf dem Bauernhof bezeichnete der Minister aber als richtige Entscheidung. Man habe heftig miteinander gerungen: »Letztlich hat die Entwicklung uns recht gegeben.« Den ganzen Sommer über sei es durch den Tourismus zu keinem Infektionsherd gekommen, weil man einen Beitrag dazu leistete, dass sich die Menschen verteilen konnten. Wolf sah damit sich und die Tourismuskonzeption vom letzten Jahr mit der Aufnahme des Bereiches Landurlaub und Urlaub auf dem Bauernhof bestätigt. »Darin stecken viele Chancen und Potenziale.« Bewusst wurde dieses spezielle Segment auch als Partner für die CMT 2021 ausgewählt, allerdings ist derzeit fraglich, ob die Reisemesse stattfinden kann. Auch Constanze Bröhmer, Geschäftsführerin des Landesverbandes Urlaub auf dem Bauernhof, sah in dieser Partnerschaft eine besondere Plattform, um den Landtourismus breit gestreut präsentieren zu können. Gemeinsam mit Traudl Brunner regte sie an, politische und planungsrechtliche Grundlagen für einen Campingurlaub auf Bauernhöfen zu schaffen. »Die Nachfrage nach Stellplätzen direkt auf den Höfen ist sehr groß und übersteigt das Angebot bei Weitem. Bisher hapert es noch an den Genehmigungen, das Interesse bei den Hofbetreibern ist auf jeden Fall da«, sagte sie. Traudl Brunner sprach von einem »großen Potenzial«, deshalb liege auch das Augenmerk des Landesverbandes auf dieser neuen Schiene: »Das ist eine Chance für mehr Wirtschaftlichkeit im Landtourismus.«
Potenzial auf den Höfen
Es gebe sehr viele Betriebe mit leer stehenden Gebäuden, die auf diese Weise umgenutzt werden könnten. »Deshalb müssen wir dieses Thema dringend angehen.« Der Trend zeigt es: Wohnmobilcamping hat während Corona einen starken Zuwachs verzeichnet. Stellplätze auf Bauernhöfe einzurichten, bezeichnete Guido Wolf als eine »interessante Idee«. Man könne diese durchaus weiterverfolgen, weshalb er auch »politischen Handlungsbedarf« erkannte. So sah es auch Bürgermeister Kevin Dorner, der die derzeit rund 75 000 Übernachtungen pro Jahr in Hayingen als wesentlichen Faktor für die Infrastruktur bezeichnete und gerne noch mehr Wohnmobilisten begrüßen würde. Klar wurde bei diesem Gespräch: »Trotz der außergewöhnlichen Krisensituation höre ich eine positive Grundstimmung«, stellte Minister Guido Wolf fest. Er appellierte an die Akteure im Landtourismus, motiviert den Weg weiterzugehen, auch wenn man sich wegen Corona weiterhin »auf dünnem Eis bewegt«. (in)