GAMMERTINGEN: Der Hochsommer 2022 dürfte den Gammertingern lange im Gedächtnis bleiben. Hoch oben über der Stadt lodern am 23. Juli wahrscheinlich als Folge eines Hochzeits-Feuerwerks die Flammen.
Die Hochzeit
Juli 2022: Es ist eine rauschende Feier, der Reifengroßhändler Bruno Göggel heiratet seine Corinna und läßt sich nicht lumpen. Nach der kirchlichen Trauung in Zwiefalten wird mit Hunderten Gästen rund um die Villa des Unternehmers in Gammertingen gefeiert. Flugzeuge der Red–Bull–Kunstflugformation malen ein Herz in den Himmel, DJ Ötzi ist Stargast. Unter den Gästen ist auch Gammertingens Bürgermeister Holger Jerg, was ihm später vorgeworfen wird. Der Ehe ist keine lange Zukunft beschieden, Bruno Göggel stirbt im Januar 2024.
Der Brand
Juli 2022: Kurz vor Mitternacht nimmt die Feier ein abruptes Ende. Gegen 23 Uhr jagt der jetzt angeklagte Pyrotechniker ein Feuerwerk gen Himmel, kurz danach brennt es. Im Freien gelagerte Reifen fangen Feuer, die Brandwache allein ist überfordert. Die Halle 8 des weitläufigen Geländes steht schnell in hellem Brand.
Die Einsatzkräfte
Juli 2022: Die Gammertinger Feuerwehr ist bei der Feier mit einem Löschfahrzeug und sechs Mann vor Ort. Und sie sind, entgegen von Gerüchten, auch noch dort, als das Feuer ausbricht. Die kleine Truppe tut das Richtige: Sie fordert Verstärkung an und beginnt parallel, die Feuer zu bekämpfen. Am Ende sind 380 Feuerwehrleute mit 70 Fahrzeugen im Einsatz, die Belastung ist enorm. An den Fahrzeugen platzt wegen der Hitze der Lack, Scheiben springen, ohne Helm und Visier können sich die Feuerwehrleute nicht näher als 50 bis 70 Meter den Flammen nähern. Reifen brennen heiß, der Ruß raubt die Sicht – die Ehrenamtlichen stehen im Inferno. Dass die Koordination der Wehren aus vier Landkreisen funktioniert, ist allein schon ein Beleg für die Schlagkraft der Wehren.
Die Untersuchung
August 2022: Die Staatsanwaltschaft lehnt sich schnell aus dem Fenster: Schon eine gute Woche nach dem Brand gehen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei davon aus, dass das Feuer durch das Feuerwerk entfacht wurde. Gegen Firmeninhaber Bruno Göggel oder Bürgermeister Holger Jerg wird nicht ermittelt. Auf Brandstiftung deutet nichts hin, so seien beispielsweise keine Rückstände von Brandbeschleunigern gefunden worden.
Rückstände
August 2022: Ruß überall, ist das Gammertingens Tschernobyl? Das Landratsamt Sigmaringen gibt etwa eine Woche nach dem Brand Entwarnung: Ein Labor hat Rußablagerungen untersucht und konnte keine Auffälligkeiten feststellen. Trotzdem wird vom Gesundheitsamt empfohlen, Gemüse und Obst gründlich zu waschen und Spielgeräte zu reinigen. Kritik am Bürgermeister
August 2022: Der Anfang 2023 abgewählte Bürgermeister Holger Jerg wird im Gemeinderat scharf kritisiert. Jerg war Gast bei der Hochzeitsfeier, ihm wird zu viel Nähe zu Göggel unterstellt. Anwohner beklagen, dass die Reifenstapel auf dem Außengelände bereits vor der rauschenden Feier bedrohlich angewachsen seien – unkontrolliert und im Mischgebiet unerlaubt. Die Angst vor brennenden, bergab rollenden Reifen griff um sich. »Es hätte auch anders ausgehen können«, meinen die Bewohner der Kohlhalde. Das in der Dürreperiode mit Verboten von Grillfeuern bis kurz vor der Hochzeit, ein Feuerwerk gezündet wurde, stößt gelinde gesagt auf Unverständnis. Allerdings wurden alle Regeln eingehalten. Auch die Flugshow am späten Nachmittag wird kritisiert: Aus der Zeit gefallen, wer eine Flugshow wolle, solle doch nach Rammstein gehen.
Fokus auf Pyrotechniker
Mai 2023: Die Ermittlungen richten sich ausschließlich auf den Pyrotechniker, der für die Sicherheit verantwortlich war. Weitere Ermittlungsverfahren werden nicht eingeleitet. Ein Brandsachverständiger hatte Versuche durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass der Brand durch Pyrotechnik verursacht worden sein könnte. Dass das Feuer gleichzeitig an mindestens drei Stellen ausbrach, hatte zu Spekulationen über Brandstiftung auf dem Gelände des erfolgreichen, aber nicht unumstrittenen Unternehmers gesorgt.
Bruno Göggel stirbt
Januar 2024: Bruno Göggel stirbt im Alter von 62 Jahren an einem Krebsleiden.
Strafbefehl gegen Pyrotechniker
Januar 2024: Das Amtsgericht Sigmaringen verurteilt den Feuerwerker wegen fahrlässiger Brandstiftung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen zu je 70 Euro. Damit wäre er vorbestraft. Der Pyrotechniker legt gegen Einspruch ein. (GEA)