Am Horizont winkt eine Kleinwagen-Sonderausstellung im Engstinger Automuseum

ENGSTINGEN. Etwas anderes, als dass am Ostersonntag das Automuseum wie gewohnt wieder öffnen würde, kennen Freunde der umfangreichen Sammlung an zwei- und vierrädrigen Oldtimern in Großengstingen bislang nicht. Jetzt aber wird aus der Winterpause in den Räumen einer ehemaligen Strickerei zum ersten Mal in 34 Jahren eine Unterbrechung mit ungewissem Ende. »Wir hoffen auf den 1. Mai«, sagt Ulrike Palesch von der Gemeindeverwaltung. Aber auch, dass derzeit schwer zu sagen sei, ob dieser Termin gehalten werden könne.

Dabei hatten sich die kommunalen Museumsbetreiber für die Saison 2020 einiges einfallen lassen, um wieder im Fokus der Ausflugsplanungen nicht nur bekennender Oldtimerfans, sondern ganzer Familien aus der Region und darüber hinaus zu stehen. Automobile sind schließlich nicht nur viel Blech, viel Chrom und meist auch viele Pferdestärken, komprimiert unter der Motorhaube. Sondern sie sind auch Zeitgeschichte und geben ähnlich wie Fotoalben Anlass zum Schwelgen in Erinnerungen.

Mit vielen Leihgaben

»Ach ja, so war das damals ...«, als unbequeme Kutschen von geräumigen Autos mit Chauffeur abgelöst wurden. Als sich zunächst nur Bessergestellte einen schicken Wagen und erst viel später dann nach fleißigem Sparen auch immer mehr »kleine Leute« zumindest einen Kleinwagen leisten konnten. In diesen fahrbaren Kisten wurden dann die ersten Urlaubsreisen in den Schwarzwald oder mit Kind und Kegel vielleicht sogar bis an den Gardasee unternommen: In nicht wenigen Familien sind sie bis heute ein unvergessliches Erlebnis geblieben.

Im SUV-Zeitalter ist der typische »Kleinwagen« etwas aus dem Straßenbild verdrängt. Dafür schenkt ihm das Automuseum in Großengstingen in dieser Saison mit einer Sonderausstellung die volle Aufmerksamkeit. Aus den automobilen Beständen, die in der umfangreichen Dauerausstellung präsentiert werden oder aus Platzgründen normalerweise im Depot des Museums auf ihr Comeback warten müssen, wurden für den Sonderauftritt der Kleinen sehenswerte Personenwagen zusammengestellt. Und darüber hinaus mehrere private Oldtimer-Besitzer um Leihgaben gebeten. Mit Erfolg: Bei einem Sammler in Linsenhofen wurde Ulrike Palesch mit einem NSU Sportprinz Baujahr 1960 fündig. Aus Weil im Schönbuch rollt eine ebenfalls in den frühen 1960er-Jahren gebaute Heinkel Kabine an. Und selbstverständlich darf auch eine BMW Isetta als klassische Kleinwagen-Vertreterin nicht fehlen. Zu sehen sein wird die Isetta in Engstingen als rot-weiß lackiertes Modell Baujahr 1956. Die Jüngsten unter den insgesamt zehn Exponaten sind ein Autobianchi, Baujahr 1966 und ein NSU Wankel Spider, Baujahr 1967: Letztgenanntes »Schätzchen« hat seinen ersten Besitzer seinerzeit 8 500 Deutsche Mark gekostet. Heute ist das Ding eine echte Rarität und bringt in gepflegtem Zustand gut und gern 30 000 Euro ein. Doch wer wollte sich davon auch trennen?

Dass die Gemeinde Engstingen ein Automuseum mit rund 120 Fahrzeugen auf vier Rädern und nochmals knapp 50 Zweirädern aus der Zeit zwischen 1898 und den 1980er-Jahren besitzt, verdankt sie nicht nur einem leidenschaftlichen Oldtimer-Sammler aus Ödenwaldstetten, sondern auch ihrem eigenen langjährigen Bürgermeister Klaus-Peter Kleiner. Engstingens 2013 gestorbener Schultes bot dem Autonarren Siegfried Stotz vor mehr als drei Jahrzehnten die seinerzeit schon lange leer stehenden Räume der einstigen Strickwarenfabrik an. Stotz biss an und brachte neben vielen anderen Karossen auch einen prächtigen Maybach mit, der seit dem Tod seines einstigen Besitzers leider nicht mehr in Großengstingen gezeigt werden kann. Dafür aber kann Ulrike Palesch im Automuseum auf insgesamt 1 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche, die verteilt sind auf zwei Etagen, mit vielen anderen historischen Schätzchen aufwarten: mit Familienkutschen, Sportwagen, echten Rennmaschinen und so manchem anderen Blech gewordenen Traum. Ihr eigener Favorit? Ein mit offenem Verdeck gezeigter NSU Spider, Baujahr 1967: »Ein flotter und pfiffiger Flitzer gerade für eine Frau«, schwärmt die Rathaus-Mitarbeiterin, die nur die grüne Lackierung an ihm bedauert: »Ich hätte ihn für mich gerne in Knallrot.«

Apropos Farben: Wer glaubt, dass Fahrzeuge früher nur schwarz oder beige lackiert waren, irrt gewaltig: Von hellblau (ein Kadett) bis quietschegelb (ein Alfa Romeo) ist auch bei den dicht an dicht stehenden Exponaten im Automuseum die ganze Farbskala drin. (oel)