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Veranstaltungsfirmen mahnen mit Aktion: »Alarmstufe rot« für die Branche

Veranstaltungsfirmen illuminieren am Montag bundesweit markante Bauten, auch in Pfullingen und Reutlingen

Als »flammender Appell« der Veranstaltungswirtschaft werden bei der »Night of Light« ab Montagabend markante Gebäude, wie zum Be
Als »flammender Appell« der Veranstaltungswirtschaft werden bei der »Night of Light« ab Montagabend markante Gebäude, wie zum Beispiel der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, rot angestrahlt. Auch in der Region wird es rote Hingucker geben. FOTO: LK AG
Als »flammender Appell« der Veranstaltungswirtschaft werden bei der »Night of Light« ab Montagabend markante Gebäude, wie zum Beispiel der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz, rot angestrahlt. Auch in der Region wird es rote Hingucker geben. FOTO: LK AG

PFULLINGEN/REUTLINGEN. Am kommenden Montagabend könnte es sich lohnen, etwas länger aufzubleiben und zu später Stunde noch einen Spaziergang durch den Wohnort zu machen. Denn in vielen Städten und Gemeinden werden ab 22 Uhr markante Gebäude in rotes Licht getaucht: In Berlin zum Beispiel das Brandenburger Tor und der Fernsehturm am Alexanderplatz. Diese Aktion ist aber mitnichten als Kunst-Statement gedacht. Vielmehr macht sie aufmerksam auf einen aufgrund der Coronakrise in Not geratenen Wirtschaftszweig. »Diese ›Nigth of Light‹ wird ein leuchtendes Mahnmal und ein flammender Appell der Veranstaltungswirtschaft zur Rettung der Branche sein«, erläutert Simone Marschall, Inhaberin von Marschallplan Eventmanagement in Pfullingen.

Mehr als 3 800 Veranstaltungsfirmen, Eventagenturen, Theater und Konzerthäuser bundesweit haben sich bereits dem Aufruf des Veranstaltungstechnik-Dienstleisters LK AG aus Essen angeschlossen und unterstützen die »Night of Light« jeweils in ihrer Region. Aus Pfullingen ist auch die Firma Vöhringer Veranstaltungstechnik GmbH mit dabei, die am Montagabend das Gebäude der Kreissparkasse am Lindenplatz und die Pfullinger Hallen rot anstrahlen wird. Simone Marschall bereitet die Illumination der Kreissparkasse am Marktplatz in Reutlingen und des Achalmhotels vor, ebenso des firmeneigenen Gebäudes im Gewerbegebiet »Unter den Wegen« in Pfullingen. »Auch die Reutlinger Stadthalle und das Rathaus werden in Rot leuchten«, weiß sie.

»Von einem Tag auf den anderen mussten wir von 100 auf 0 herunterfahren«

Das Unternehmen CL & CS Veranstaltungstechnik aus Pfullingen plante, den Schönbergturm in rotes Licht zu tauchen. Das habe das Ordnungsamt allerdings »zum Schutz der Insekten« untersagt, teilt Inhaber Sebastian Albrecht mit. Stattdessen wird auch er den Firmensitz in der Römerstraße illuminieren.

Auf der Website night-of-light.de werden die Hintergründe der Aktion erläutert. Die Veranstaltungswirtschaft war der erste Wirtschaftszweig, der von der Coronakrise getroffen wurde, und er wird mit großer Wahrscheinlichkeit am längsten und tief greifendsten von den Auswirkungen betroffen sein, ist dort nachzulesen. Faktisch haben alle Unternehmen aus den Bereichen Messebau, Veranstaltungstechnik, Eventagentur, Catering, Bühnenbau, Eventlocation, Messegesellschaft Kongresscenter, Tagungshotel, Konzertveranstalter, Künstler und Einzelunternehmer durch das Veranstaltungsverbot vom 10. März innerhalb weniger Werktage ihre gesamten Auftragsbestände verloren.

Das bestätigt auch Simone Marschall. »Wir mussten von einem Tag auf den anderen quasi von 100 auf 0 herunterfahren«, berichtet sie. Sämtliche Veranstaltungen, die ihr Unternehmen bis Ende September auf die Beine stellen sollte, wurden abgesagt. Zwar stehen noch Aufträge für den Herbst in ihrem Kalender. Doch sie geht davon aus, dass auch diese gecancelt werden, denn: »Um diese Veranstaltungen umsetzen zu können, bräuchte es weitere Lockerungen.«

»Wir werden eventuell zehn Monate keine Einnahmen haben«

Anders als im produzierenden Gewerbe können die Event-Dienstleister ihre seit März weggefallenen Umsätze nicht mehr nachholen, heißt es auf der Aktions-Website. Selbst wenn nach Beendigung der Krise eine hohe Nachfrage einsetzen würde, könne der Verlust nicht kompensiert werden. Simone Marschall erläutert, was das für ihre Firma bedeutet: »Bei uns ist es leider nicht wie etwa beim Friseur, bei dem am Tag, nachdem die Beschränkungen aufgehoben werden, die Kunden vor der Tür stehen.« Um Veranstaltungen zu planen und umzusetzen, brauche es Wochen, wenn nicht Monate Vorlauf. Deshalb könne es gut sein, »dass wir erst im nächsten Jahr wieder richtig starten«, erklärt Marschall und merkt an: »Das bedeutet, dass wir eventuell zehn Monate lang keine Einnahmen haben.«

Die Veranstaltungsbranche ist einer der größten Sektoren der deutschen Wirtschaft mit rund einer Million direkt Beschäftigten. Sie erwirtschaftet pro Jahr einen Umsatz von 130 Milliarden Euro, heißt es auf der Homepage der »Night of Light«-Aktion. Rechne man die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren veranstaltungsbezogenen Teil- und Zuliefermärkten hinzu, so beschäftigten mehr als 300 000 Unternehmen in über 150 Disziplinen mehr als drei Millionen Menschen und erzielten einen Jahresumsatz von über 200 Milliarden Euro, wird aus einer Studie der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft zitiert. Folge des abrupten Einbruchs sei »eine akute Insolvenzgefahr für die gesamte Branche«.

Auch Simone Marschall sieht ihren Betrieb bedroht. Eine fest angestellte Mitarbeiterin befindet sich in der Kurzarbeit. Teilzeitkräfte sowie Mini- und Midi-Jobber, die normalerweise für sie arbeiten, kann sie seit Mitte März nicht mehr beschäftigen. »Wir sind auch Ausbildungsbetrieb«, sagt sie und sorgt sich, dass sie der Studentin, die ihre Firma als Partnerbetrieb der Dualen Hochschule Ravensburg ausbilden wird, nicht den angemessenen Praxiseinsatz bieten kann.

Angesichts der zurückliegenden »guten Jahre« ist die Pfullinger Unternehmerin aber noch positiv gestimmt. Sie habe das Soforthilfeprogramm der Bundesregierung in Anspruch nehmen können, berichtet sie. Doch das laufe jetzt nach drei Monaten aus.

»Wir brennen für das, was wir tun«

Mit den bundesweiten Illuminationen am Montagabend will die Branche darauf hinweisen, dass weitere Hilfen zum Überleben vieler Betriebe notwendig sind. »Wir hoffen, dass im Konjunkturpaket auch für uns noch etwas eingeplant wird«, betont Simone Marschall und weist darauf hin, dass sie »total hinter dem Kurs der Bundesregierung« zur Bewältigung der Coronakrise stehe. Das frühe Verbot von großen Veranstaltungen habe sie absolut nachvollziehen können.

Doch jetzt müsse sichtbar werden, dass dieser Wirtschaftszweig Unterstützung brauche. Für die Aktion ist deshalb bewusst die Farbe Rot ausgewählt worden, schreiben die Initiatoren. Sie soll verdeutlichen, dass die Veranstaltungswirtschaft sich auf der »Roten Liste« der aussterbenden Branchen befindet. Sie stehe ebenso für »Alarmstufe Rot«, weil ein Milliardenmarkt und Hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr sind. Gleichzeitig versinnbildliche Rot auch die Leidenschaft für diesen Beruf: »Wir brennen für das, was wir tun!«

Zurzeit sind – mit entsprechenden Hygieneauflagen – laut Corona-Verordnung Betriebsversammlungen und Vortragsevents mit bis zu 100 Personen erlaubt. Simone Marschall hofft, dass dafür die Veranstaltungsbranche ins Brot gesetzt wird. »Wir organisieren auch Streamings und hybride Events mit wenigen Teilnehmern vor Ort und beliebig vielen Teilnehmern, die digital zugeschaltet werden«, betont sie. (GEA)