REUTLINGEN/NECKARTENZLINGEN. »Dann geht doch zu Netto«, lautet nicht nur der bekannte Werbeslogan der Discounterkette, sondern hat sich wohl auch ein Schwan in Neckartenzlingen gedacht. Es ist nicht irgendein Schwan. Das Tier war bereits am Wochenende aufgefallen, weil es auf dem Parkplatz der Aldi-Filiale in Neckartenzlingen herum watschelte. Schon da war Sabine Mayer vom Tierheim Reutlingen angerückt, hatte den Schwan kurzerhand eingefangen und in eine Transportbox verfrachtet. Am Neckarufer ließ sie den Jungschwan wieder frei.
Doch im natürlichen Umfeld mit anderen Wasservögeln am Neckarufer gefiel es dem Tier offenbar weniger als auf Parkplätzen. Es scheint dem Tier, das noch nicht einmal zwei Jahre jung sein soll, egal zu sein, dass ihm dort durch die vielen umherfahrenden Autos Gefahr droht.
Tier sucht die Nähe zu Menschen
Also machte sich Sabine Mayer erneut auf den Weg vom Reutlinger Tierheim nach Neckartenzlingen, um den Parkplatz-Ausflügler - wieder einmal - einzufangen. Das gelang ihr auch beim zweiten Mal völlig problemlos. Da kam ihr der Gedanke, dass es nicht normal für einen Schwan sein kann, dass er wiederholt sein natürliches Habitat verlässt und sich obendrein so leicht einfangen lässt. Auch hegte sie den Verdacht, er habe sich doch irgendwo verletzt. »Deshalb habe ich das Tier zu den Profis ins Vogelschutzzentrum Mössingen gebracht.«
Dort wurden ihre Vermutungen bestätigt. »Wir gehen davon aus, dass dieser Schwan fehlgeprägt ist. Das bedeutet, er hatte wahrscheinlich schon engeren Kontakt zu Menschen, ist wahrscheinlich sogar von ihnen gefüttert worden«, hieß es dort auf GEA-Anfrage. Das erkläre auch, warum er sich von den Menschen auf den Parkplätzen hat anfassen, streicheln und füttern lassen. Die Fehlprägung lasse ihn immer wieder die Nähe zu Menschen suchen. Offenbar versucht das Tier diese Nähe auf Discounter-Parkplätzen zu finden.
Vermutlich fehlgeprägt
Das sei für eine natürliche Entwicklung des Wasservogels nicht gut, so eine Mitarbeiterin des Mössinger Vogelschutzzentrums. »Deshalb bleibt das Tier jetzt vorerst in einer unserer Volieren und wir versuchen, die Fehlprägung rückgängig zu machen«, sagte sie. Wie lange das dauern würde, könne nicht im Voraus gesagt werden. Jetzt werde der Schwan erst einmal gesund gepflegt, denn bei genauerer Untersuchung wurde eine Verletzung festgestellt: »Nichts Gravierendes, aber diese Verletzung muss behandelt werden«, hieß es. Auch wollen die Mössinger Vogel-Experten noch bestimmen, ob es sich beim »Parkplatz-Schwan« um ein Männchen oder ein Weibchen handelt. Bisher sei man noch nicht dazu gekommen. (GEA)