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Einsatzkräfte wünschen Nachwuchs in Bad Urach

Stadtgespräch mit den Blaulicht-Diensten in der Rathausapotheke der evangelischen Kirche in Bad Urach.

Vertreter der Blaulichtfraktionen im Gespräch: (von links) Moderatorin Julia Bazlen, Thomas Leopoldt (DRK), Peter Raach (Bergwac
Vertreter der Blaulichtfraktionen im Gespräch: (von links) Moderatorin Julia Bazlen, Thomas Leopoldt (DRK), Peter Raach (Bergwacht), Torsten Holder (Feuerwehr) und Albert Ebinger (Moderation). FOTO: KIRCHE
Vertreter der Blaulichtfraktionen im Gespräch: (von links) Moderatorin Julia Bazlen, Thomas Leopoldt (DRK), Peter Raach (Bergwacht), Torsten Holder (Feuerwehr) und Albert Ebinger (Moderation). FOTO: KIRCHE

BAD URACH. »Ohne Sie wäre das Leben in Bad Urach nicht so sicher«, so Günter Braun in seiner Begrüßung zum Stadtgespräch der evangelischen Kirchengemeinde Bad Urach und Seeburg mit den Blaulicht-Diensten.Ein gutes Beispiel dafür ist der Schäferlaufsonntag. Zehntausende Menschen säumen die Straßen. Der einige Hundert Meter lange Umzug nimmt seinen bekannten Weg von der Altstadt über den Marktplatz, durch enge Gassen über die B 28 bis zum Festplatz in der Zittelstatt. Damit dieses Großereignis reibungslos funktioniert sind etwa 300 Menschen des DRK, der Feuerwehr und der Bergwacht ehrenamtlich im Einsatz. Gemeinsam mit der Polizei sorgen sie für einen sicheren Ablauf und arbeiten dabei ganz eng zusammen.

Von diesen und anderen Einsätzen berichten die drei Gäste auf dem Podium Thomas Leopoldt (DRK), Torsten Holder (Feuerwehr) und Peter Raach (Bergwacht) unter der Moderation von Julia Bazlen und Albert Ebinger.

»Ohne Sie wäre das Leben nicht so sicher«

Dabei betonen alle drei, dass diese gute Kooperation nicht nur beim Schäferlauf funktioniert, sondern geradezu ein »Markenzeichen« in Bad Urach ist. »Bei solchen Einsätzen sind wir ein Team, auch wenn wir drei unterschiedlichen Organisationen angehören« sagt Thomas Leopoldt. Aber der Einsatz beim Schäferlauf alle zwei Jahre ist nicht der Alltag. Das wird deutlich, als das Moderatorenduo Julia Bazlen und Albert Ebinger nach schwierigen Situationen fragt. Die Gesprächsteilnehmer berichten von Suizid, von dem Regenunwetter, als ein Bauarbeiter in der Erms ertrinkt, von schweren Unfällen, zum Beispiel, als ein Betonmischer auf ein Auto kippte, vom dem Felsabsturz einer Mutter, die zwei kleine Kinder hinterlässt, oder von dem Altstadtbrand im vergangenen Jahr.

»Das macht was mit einem«, sagt Torsten Holder. Und während es früher hieß, ›jetzt stell dich nicht so an, dass macht doch einem richtigen Mann nichts aus‹, gehen die Verantwortlichen heute sehr sensibel mit diesen Themen um. Es gibt Nachbesprechungen unmittelbar im Anschluss an die Einsätze. »Manchmal dauert es aber Tage, bevor man darüber reden kann«, so Peter Raach. »Wir als Leitungskräfte fragen auch nach, ›was geht dir durch den Kopf, wie hast du geschlafen?‹« Die Verantwortlichen wissen, wie sie ihre Mannschaft einsetzen können. »Es gibt Personen, die bestimmte Dinge wie zum Beispiel Leichenbergung nicht machen können, die müssen das dann natürlich nicht«, sagt Torsten Holder.

»Es kann Tage dauern, bis man drüber reden kann«

Um solch traumatisierende Situationen aufzuarbeiten, steht die Psychosoziale Notfallversorgung mit Sitz in Metzingen zur Verfügung. Sie bietet eine kompetente Begleitung und Betreuung von Einsatzkräften und Angehörigen – eine »Erste Hilfe für die Seele«.

»Diese Arbeit kann man gar nicht hoch genug bewerten«, sagt Torsten Holder. Auch in dieser Einschätzung sind sich die drei einig. Während ansonsten Anpacken und Machen den Dienst bei Feuerwehr, DRK und Bergwacht prägen, heißt es hier »Reden hilft«. In diesem Zusammenhang ist auch die Notfallseelsorge von großer Bedeutung. Pfarrerin Katja Pfitzer berichtet von ihren Aufgaben. Da die vorhergehenden Ereignisse häufig dramatisch sind, bietet sie »Hilfe zur Selbsthilfe, ins Leben zurück«. »Ein gutes Umfeld, Platz zum Sitzen, etwas zu trinken anbieten, die Frage wer noch benachrichtigt werden soll, Gesprächsangebote, das sind häufig meine Tätigkeiten«, erläutert die Theologin. Die Nachricht selbst überbringt immer die Polizei. Aber in den meisten Fällen geht es nicht um so bedrohliche Situationen. Dann sind es eher kleine Brände, die Versorgung von Leichtverletzten oder Blutspendetermine. Die Häufigkeit ist dabei sehr unterschiedlich. Während es bei der Feuerwehr rund 200 Einsätze pro Jahr sind, wird die Bergwacht 25 bis 35 Mal gerufen. Das DRK ist etwa zehn Mal gefordert.

Damit das alles gut klappt sind viele Schulungen notwendig. Das erfordert hohes ehrenamtliches Engagement von allen Beteiligten. Die drei Leitungskräfte berichten von rund 15 Stunden, die sie unter der Woche im Dienst sind.

»Das macht was mit einem«

Bei Einsätzen werden die Aktiven in der Regel vom Arbeitgeber freigestellt, soweit es mit dem Job vereinbar ist. Dass gilt in besonderer Weise für die Feuerwehr. Mit gutem Beispiel geht die Stadt Bad Urach voran, die grundsätzlich Freistellung gewährt und auch bei der Finanzierung unterstützt. Da die Feuerwehr eine Pflichtaufgabe öffentlicher Daseinsvorsorge ist, übernimmt die Stadt deren Finanzierung komplett. DRK und Bergwacht sind dagegen vor allem auf Unterstützung ihrer eigenen Organisation und auf Spenden angewiesen.

Was denn die Motivation sei, solche Aufgaben zu übernehmen, wird aus dem Publikum gefragt. Die gute Gemeinschaft, man ist aufeinander angewiesen, das betonen spontan alle drei. Wenn die Kameradschaft stimmt und die Einsätze erfolgreich sind, dann ist das die Motivation, sich weiterhin diesen Aufgaben zu stellen. Bisweilen gibt es auch Highlights. So berichtet Thomas Leopoldt von einer Aktion zu Corona-Zeiten, als an einem Tag 2.000 Personen geimpft werden konnten. Erfreulich ist auch, dass es in Bad Urach bei keiner der drei Organisationen zu Übergriffen auf die Einsatzkräfte kam, wie die Podiumsteilnehmer auf Anfrage eines Zuhörers berichten.

Wer die drei auf dem Podium erlebt hat, der wundert sich nicht, dass auch bei der abschließenden Frage: »Was wünschen Sie sich für die Zukunft?«, große Einigkeit herrscht: »Genügend Nachwuchs, damit wir weiterhin unseren Aufgaben nachkommen können.« Schmunzelnd aber durchaus ernst gemeint fügt Peter Raach noch hinzu: » Dass die Leute auf den schönen Wanderwegen in und um Bad Urach geeignetes Schuhwerk tragen.« Und er verdeutlicht gleich was dazu nicht gehört: Flipflops. (k)