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»Die Höhle der Löwen«: Kein Deal für revolutionäre OP-Erfindung aus Wannweil

Das Wannweiler Unternehmen »Hellstern medical« will die Chirurgie ins 21. Jahrhundert katapultieren: Die Start-up-Gründerinnen Sabrina Hellstern und Claudia Sodha haben bei der TV-Show »Die Höhle der Löwen« ein sogenanntes Exo-Skelett vorgestellt, das Ärzte am OP-Tisch entlasten soll. Dafür hat Hellstern ihr Auto verkauft und ihr Haus beliehen. Die Löwen waren begeistert - trotzdem gab es am Ende keinen Deal. Das waren die Gründe.

Sabrina Hellstern (links) und Claudia Sodha haben das Exo-Skelett »Noac« entwickelt, das Chirurgen am OP-Tisch entlasten soll.
Sabrina Hellstern (links) und Claudia Sodha haben das Exo-Skelett »Noac« entwickelt, das Chirurgen am OP-Tisch entlasten soll. Foto: RTL/Bernd-Michael Maurer
Sabrina Hellstern (links) und Claudia Sodha haben das Exo-Skelett »Noac« entwickelt, das Chirurgen am OP-Tisch entlasten soll.
Foto: RTL/Bernd-Michael Maurer

KÖLN/WANNWEIL. Der »Höhle der Löwen«-Investor Ralf Dümmel hatte für das Produkt des Wannweiler Unternehmens »Hellstern medical« nur diese Worte übrig: »Wow, wow und wow.« Dümmel und die anderen vier Juroren waren schwer beeindruckt von »Noac«, dem von Sabrina Hellstern (40) und Claudia Sodha (59) entwickelten Exo-Skelett, mit dessen Hilfe die Chirurgen in Zukunft schmerzfrei und entlastet am OP-Tisch arbeiten können. Trotz des Lobes für Team, Idee und Produkt: Am Ende wollte keiner der fünf Investoren bei dem Start-up einsteigen. Was waren die Gründe?

An der Präsentation des Produkts konnte es nicht liegen, die war an Professionalität kaum zu überbieten. Mit Professor Dr. Bernhard Krämer, stellvertretender Ärztlicher Direktor der renommierten Frauenklinik Tübingen, hatte das Gründerinnen-Duo einen Experten mit im Boot, der weiß, wie es im OP läuft: »Eine Bauchspiegelung beispielsweise kann in unserem Bereich je nach Komplexität zwischen vier und fünf Stunden dauern.« Und so lange muss der Arzt stehen - Tag für Tag, in einer ungesunden und unnatürlichen Haltung. »Da ist es kein Wunder, dass 75 Prozent der Kollegen Muskel- und Skelettbeschwerden haben. Und rund 40 Prozent nehmen deshalb regelmäßig Schmerzmittel«, erklärte der Fachmann. »Es wäre eine große Hilfe für uns, den Oberkörper in der Wirbelsäule zu stabilisieren.« Noch heute stünden die Chirurgen wie vor 150 Jahren am Seziertisch.

Vier Jahre intensive Arbeit

Deshalb sind Krämer und seine Kollegen auf die Medizintechnikerin Hellstern und die Ingenieurin Sodha zugegangen und haben die Expertinnen gebeten, eine Lösung zu entwickeln. Das Ergebnis nach vier Jahren Arbeit heißt »Noac« - ein Kofferwort aus »no« und »ache«, also »kein« und »Schmerz« - und soll das Arbeiten im OP-Saal revolutionieren. Dazu steigt der Chirurg in die Apparatur ein, wird mit einem Seil und Rückenpanzer am Exo-Skelett befestigt und kann nahezu anstrengungslos Arme und Oberkörper auf Polstern abstützen - ohne auf die Präzision bei der Operation verzichten zu müssen. All das ist verpackt in absolutes High-Tech und individuell je nach Körpergröße und -form zu justieren. Mit den Füßen können Pedale bedient werden, die das Gerät kontrollieren - so müssen die Ärzte ihre Instrumente nicht aus der Hand legen und können sich voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren und dabei frei bewegen. »Wir haben die weltweit erste Lösung für Operateure entwickelt«, fasst Hellstern zusammen.

Darum geht's in der TV-Show »Die Höhle der Löwen«

»Die Höhle der Löwen« ist ein Unterhaltungsformat des TV-Senders Vox, das seit 2014 produziert wird. In der Show stellen Gründer von Start-ups und Erfinder ihre Geschäftskonzepte vor und bieten Anteile ihres Unternehmens an. Die »Löwen« sind Investoren, die ihr eigenes Geld in Unternehmen ihrer Wahl stecken. Zudem begleiten sie die Gründer mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung fachlich. In der am 8. April startenden 15. Staffel nehmen Handelsprofi Ralf Dümmel, Familienunternehmerin Dagmar Wöhrl, Wirtschaftsgröße Carsten Maschmeyer, Konzernchef Nils Glagau, Green-Tech-Investorin Janna Ensthaler, Meinungsmacherin Tijen Onaran und Food-Experte Tillman Schulz auf den Investoren-Stühlen Platz. Die Sendung wird montags um 20.15 Uhr bei Vox ausgestrahlt. (GEA)

Insgesamt drei Millionen Euro sind bereits in das Start-up geflossen. Nun wollten die Erfinderinnen eine weitere Million von den »Löwen« eintreiben - und im Gegenzug eine fünfprozentige Beteiligung am Unternehmen bieten. Das Ziel: Nach fünf entwickelten Prototypen soll Noac in Serie produziert werden - für 88.000 Euro pro Stück. Ein Hauptproblem bei der Investorensuche war bislang, dass kein Krankenhaus die Entwicklungskosten vorstrecken konnte.

Professor Dr. Berndhard Krämer von der Frauenklinik in Tübingen führt den »Löwen« vor, wie er das Exo-Skelett »Noac« im Einsatz
Professor Dr. Berndhard Krämer von der Frauenklinik in Tübingen führt den »Löwen« vor, wie er das Exo-Skelett »Noac« im Einsatz bedient. Foto: RTL/Bernd-Michael Maurer
Professor Dr. Berndhard Krämer von der Frauenklinik in Tübingen führt den »Löwen« vor, wie er das Exo-Skelett »Noac« im Einsatz bedient.
Foto: RTL/Bernd-Michael Maurer

An Überzeugung für ihre Idee mangelt es den beiden Frauen wohl nicht: Hellstern habe ihr Familienauto verkauft und ihr Haus mit einem Kredit belastet. Für ein Jahr hätten zudem beide - trotz vormals gut bezahlter Jobs - ohne Gehalt gearbeitet. Dieser Aufopferungswille beeindruckte die Jury nachhaltig: »Das ist Wahnsinn«, sagte Entrepreneur Dümmel. »Dieser Mut, dieser Wille: Da kann man nur den allergrößten Respekt haben.« Investor Carsten Maschmeyer fügte an: »Ihr habt wahrscheinlich die höchste Innovationsstufe erreicht, die je in der Höhle der Löwen erreicht wurde.« Jurorin Dagmar Wöhrl konnte das Gerät auf Wunsch sogar ausprobieren und glitt ganz intuitiv zum provisorischen OP-Tisch.

Am Ende überwiegen die Zweifel

Auf die bohrenden Nachfragen hatte das Duo gute Antworten parat: »Ja, das erste Gerät ist von der Frauenklinik Tübingen bestellt«, erklärte Sodha auf eine Frage von Löwin Janna Ensthaler, ob schon Umsätze erzielt wurden. Mit weiteren potenziellen Abnehmern sei man in Verhandlungen. Ebenso stünde bereits ein Captable, 13 Investoren habe man bereits gewonnen. Und der Markt ist da, wie Sodha sagte: »Ein Krankenhaus hat im Durchschnitt drei bis vier OP-Säle, wir haben in der Dachregion 11.000 Krankenhäuser. Wenn man das umrechnet, kommen wir auf ein Absatzpotenzial von einer Milliarde Euro.« Daraufhin gab Investorin Wöhrl aber zu bedenken: »Macht die Kostenstruktur der Krankenhäuser das mit?« - worauf das Duo erstmals keine klare Antwort wusste.

Trotz aller anfänglichen Begeisterung sprangen die potenziellen Investoren nach und nach ab. Ralf Dümmel zählte auf, welche Einsatzbereiche ausfielen und war dann ohne eine weitere Erklärung raus. Tijen Onaran konnte nicht verstehen, warum insgesamt sechs Gründer an dem Unternehmen beteiligt waren: »Das ist schon enorm, finde ich.« Für Onarans Rückzug war das Zünglein an der Waage allerdings die Firmenbewertung von 20 Millionen Euro: »Die ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Und es ist so viel Politik dahinter - sehr viele Beteiligte.« Auch für Carsten Maschmeyer war das zu viel: »13 Investoren und sechs Gründer, bei denen zwei Drittel heute nicht da sind - zu diesen Konditionen steige ich nicht ein.« Ensthaler, die als letzte der Fünfergruppe ihren Rückzug bekannt gab, sagte: »Ich wäre gerne mit mehr als fünf Prozent dabei und jemand, der über die Geschicke des Unternehmens mitbestimmt.« Am Ende überwogen die Zweifel der Investoren: Für Noac gab es in der Höhle des Löwen keinen Deal. (GEA)