METZINGEN. Der 23. April 1945 war ein entscheidender Tag für Metzingen in der jüngeren Geschichte. Amerikanische Truppen besetzten kampflos die Stadt. Damit fand die tagelange Ungewissheit in der Bevölkerung über ihr Schicksal und das ihrer Stadt ein Ende.
Zunächst sah alles ganz anders aus. Die französischen Truppen rückten im April 1945 über den Schwarzwald vor und besetzten am 19. April Tübingen und am 20. April Reutlingen. Am Tag darauf rückten die Franzosen aus Sondelfingen in Richtung Metzingen vor, trafen jedoch am Schieferwerk auf Widerstand. Ein Panzer schoss das Schieferwerk und das Clubheim des Sportvereins 08 in Brand. Der Vormarsch der Franzosen war damit jedoch zunächst einmal gestoppt. Allerdings war jedem in Metzingen klar, dass es nur noch eine Frage von Stunden war, bis die Franzosen Metzingen in Besitz nehmen würden. Die bange Frage war: Geht dies kampflos ab oder bleibt von der Stadt nach der Besetzung nur ein Trümmerhaufen übrig?
Noch am 20. April wurde die Eisenbahnbrücke von Pionieren der Wehrmacht gesprengt. Am folgenden Tag setzten sich die führenden Nationalsozialisten mit einem Lastwagen ins Oberland ab. Bürgermeister Otto Dipper blieb hingegen vor Ort. Er und der von der Wehrmacht für Metzingen abgestellte Kampfkommandant kamen überein, dass die Stadt nicht verteidigt werden sollte. Dies forderten auch die Metzinger Frauen, die in großer Zahl vor den Gefechtsstand in der Gewerbeschule zogen. Ihre Sprecherinnen waren Helene Künkele und Emilie Siegwarth. Otto Schneider, der Führer des Metzinger Volkssturms, hatte inzwischen den Befehl erteilt, die Panzersperren zu öffnen.
Nachdem Metzingen am Samstag, 21. April, wider Erwarten nicht von den Franzosen besetzt worden war, rief Bürgermeister Dipper am Sonntag einige Bürger auf das Rathaus, um mit ihnen zu beraten, was nun zu tun sei. Etwa zehn Metzinger Bürger erklärten sich bereit, mit dem Fahrrad nach Reutlingen zu fahren. Sie sollten mit den Franzosen wegen der Übergabe der Stadt verhandeln. Drei Mann kamen tatsächlich in Reutlingen an. Den Parlamentären wurde versichert, wenn Metzingen nicht verteidigt werde, gebe es auch keinen Grund, die Stadt zu beschießen. Die Stadt solle am Sonntag um 17 Uhr besetzt werden. Doch der Termin wurde mehrfach verschoben. Unterdessen schoss die Artillerie über die Stadt. Die Geschosse schlugen auch am Florian ein, wo sich eine Reihe von Metzinger Bürgern in ihren Feld- und Weinberghäuschen in Sicherheit wähnten.
Anwesen schnell räumen
Am Morgen des 23. April 1945 marschierten zwischen 8 und 9 Uhr amerikanische Truppen, von Riederich und Grafenberg kommend, in Metzingen ein. Über die Eisenbahnbrücke in der Nürtinger Straße gelangten sie zum Bahnhofsplatz. Die Bewohner der nördlichen Straßenseite in der Schillerstraße hatten ihre Anwesen innerhalb von 15 Minuten für die Besatzungstruppen zu räumen. Während des Einmarschs der amerikanischen Truppen kam ein Metzinger Bürger aufs Rathaus und teilte mit, dass Soldaten der Wehrmacht die Panzersperre an der Uracher Straße wieder schließen und die Stadt verteidigen wollten. Darauf eilte Bürgermeister Dipper sofort an die Sperre und verhandelte, unterstützt von einigen Bürgern, mit dem Feldwebel. Die Soldaten zogen sich daraufhin zurück und die Sperre sowie der von ihnen besetzte Bahndamm waren wieder frei. Dies geschah anscheinend in letzter Minute, denn wenig später kamen bereits amerikanische Soldaten zu Fuß die Eisenbahnstraße herunter. Da sie an der Sperre keinen Widerstand fanden, patroullierten sie die Uracher Straße ein Stück hinauf, um nach kurzer Zeit wieder zurückzukehren. Als die amerikanischen Truppen am Nachmittag in Richtung Neuhausen weiterzogen, kam es zu einem etwa einstündigen Feuergefecht mit einem kleinen deutschen Truppenverband. Am Abend des Tages erfolgte die Besetzung von Neuhausen und Glems. Am 2. Mai 1945 wurde Metzingen von den Amerikanern an die französischen Truppen übergeben. (GEA)
80 JAHRE KRIEGSENDE IN METZINGEN
Vor 80 Jahren ging der Zweite Weltkrieg zu Ende. Aus diesem Anlass findet am Dienstag, 29. April 2025 um 19 Uhr in der Neuen Aula des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums eine Veranstaltung statt, die an das Kriegsende in Metzingen erinnert. Oberbürgermeisterin Carmen Haberstroh wird die Veranstaltung mit einem Grußwort eröffnen. Rudolf Renz hält einen Vortrag unter dem Titel: Metzingen im Jahr 1945 – ein Jahr der Angst. Im Anschluss daran zeigt Gerhard Stahl aus Göppingen einen circa halbstündigen Film, in denen Metzinger Zeitzeugen über das Kriegsende berichten. Schülerinnen und Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums gestalten zu verschiedenen Themen des Kriegsendes in Metzingen eine Ausstellung, die im Rahmen des Abends besichtigt werden kann. Die Veranstaltung findet in Kooperation zwischen Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium, Arbeitskreis Stadtgeschichte, Stadtarchiv und der Evangelischen Familienbildungsarbeit statt. Interessierte sind willkommen. (eg)