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Aktuell VOR DER PREMIERE

Zimmertheater Tübingen zeigt neues Stück »100% ernst und 100% ironisch«

Regisseur Peer Mia Ripberger die Ensemblemitglieder im Zimmertheater Tübingen
Regisseur Peer Mia Ripberger (Zweiter von links) und die Ensemblemitglieder Morris Weckherlin, Lisette Holdack, Roman Pertl und Seraina Leuenberger (von links). Foto: Ken Werner
Regisseur Peer Mia Ripberger (Zweiter von links) und die Ensemblemitglieder Morris Weckherlin, Lisette Holdack, Roman Pertl und Seraina Leuenberger (von links).
Foto: Ken Werner

TÜBINGEN. Lisette Holdack, Seraina Leuenberger und Morris Weckherlin, die drei Neuzugänge im Ensemble des Instituts für theatrale Zukunftsforschung (ITZ) im Zimmertheater Tübingen, eröffnen am Samstag, 16. Oktober, um 20 Uhr gemeinsam mit Ensemblemitglied Roman Pertl die neue Spielzeit nun auch in der großen Spielstätte des Zimmertheaters – dem im vergangenen Jahr umgebauten Theatersaal im »Löwen« in der Kornhausstraße 15.

»100% ernst und 100% ironisch« heißt das neue Stück, das als theatrales Gedankenexperiment angekündigt ist und bis zum 19. November gespielt wird. In Text und Inszenierung von Peer Mia Ripberger begegnen sich vier Figuren in einem »Fun-Retreat« einer Mischung aus Urlaubsresort und Fortbildungsanstalt, um gemeinsam das Spaßhaben wieder zu erlernen. Gemeinsam mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Nicola Gördes vom Theater Dortmund und dem Komponisten Justus Wilcken, bekannt als Teil des Duos OMG Schubert, wird seit Ende August konzipiert und geprobt. Wenige Tage vor der Premiere sprach Zimmertheater-Dramaturg Ilja Mirsky mit dem Produktionsteam.Peer Mia Ripberger, im Ankündigungstext wird dem Publikum beschrieben, dass sich Dein neuer Theaterabend in einer fiktiven Welt und in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft abspielt. Wie viel Ernsthaftigkeit und wie viel Ironie steckt in der neuen Produktion? Könnte diese Zukunft vielleicht doch auch unsere Gegenwart sein?

Peer Mia Ripberger: Ich kann Dir auf jeden Fall garantieren, dass der Abend zu 200 Prozent aus ernsthaft ironischen und sehr vielen unterhaltsamen, aber auch zwieträchtigen Zukunftsgedanken besteht. Während des Stückentwicklungsprozesses haben wir gemeinsam als Team unsere Erfahrungen der letzten Monate und Jahre reflektiert und daraus – anders war es undenkbar – ein absurdes Szenario entwickelt, dass durch die Möglichkeiten der Theaterbühne die großen Fragen unseres Lebens im Anthropozän verhandelt. Wir changieren zwischen der gebotenen Ernsthaftigkeit und der erforderlichen Ironie – und haben dabei einen Heidenspaß.

Justus Wilcken, Du bist als Komponist und Theatermusiker für die musikalische Ebene der Produktion verantwortlich. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem neuen Team, und wie klingt so ein Fun-Retreat?

Justus Wilcken: Die Zusammenarbeit mit dem neuen Team ist ein sehr großer Spaß, und natürlich ist es sehr schön, wieder in Tübingen zu sein. Obwohl es die erste künstlerische Arbeit in dieser Konstellation ist – sowohl für das Ensemble als auch für mich mit Nicola und Peer Mia als Regisseur – stecken wir mitten in einem sehr inspirierenden Prozess. Bei Stückentwicklungen gibt es immer viele Veränderungen, weil bis kurz vor der Premiere theoretisch alles auch anders werden könnte. Umso wichtiger ist es, die musikalische Ebene mit der Stimme des Autors und der Ästhetik der Bühne zu verweben.

Nicola Gördes, wie ist Dein ästhetischer Zugang zu den Kostümen und zum Bühnenbild, wie geht Ihr mit dem Raum um?

 

Nicola Gördes: Ohne an dieser Stelle zu viel vorwegzunehmen: Für die vier Schauspielerinnen und Schauspieler bediene ich mich in unserem Gedankenexperiment einer zugleich extrem strengen und gleichzeitig extrem albernen Stilistik. Deshalb würde ich den Einsatz von Konfetti zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht final ausschließen. Es gibt auf jeden Fall ein tierisch gutes Bühnenbild, dass wir in Ermangelung eigener Werkstätten in Zusammenarbeit mit einem regionalen Betrieb hergestellt haben. Lass es mich doch lieber so formulieren: Die Ästhetik von »100% ernst und 100% ironisch« ist so, wie wenn du Bauchweh bekommst, weil du zu viel von deinen Lieblingssüßigkeiten gegessen hast. Der Raum und das Bühnenbild bieten dem Ensemble jedenfalls viele Spielmöglichkeiten – jetzt dürfen sie auf der Bühne ja wieder machen, was sie wollen.

In der Menschheitsgeschichte lässt es sich oft beobachten, dass nach Kriegen und Seuchen – also nach Perioden, in denen das »normale« Leben über Jahre hinweg längere Zeit stillstand – die größten Feste und Exzesse veranstaltet wurden. War das Eure Motivation für diese Stückentwicklung?

Peer Mia Ripberger: Als Produktionsteam waren wir uns einig, dass es im Stück auf der Theaterbühne eine Welt geben soll, in der die Menschen auf die Herausforderungen des Lebens nach dem Überschreiten des »Point of no return« beziehungsweise der Klimakipppunkte reagieren müssen. In der sie versuchen müssen, einen Umgang mit der dann entstehenden Situation zu finden. Gleichzeitig wollten wir einen Abend gestalten, der unterhaltsam ist, der nicht in eine Schockstarre verfällt angesichts der ziemlich tristen Aussicht auf diese Zukunft. Obwohl das Theaterstück also existenzielle Themen aufgreift, kommen wir, wie ich finde, doch zu einer ironischen und damit komischen Darstellung dieser Welt. (eg)

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