TÜBINGEN/REUTLINGEN. In ihrer Kindheit spielte Marion Wetzel Klarinette und Saxophon in heimatlichen Musikverein und geriet damals auch in ersten Kontakt mit dem Schlagzeug. Nachdem sie vom Musikverein ihr erstes Schlagzeug bekam, nutzte sie jede freie Minute zum Üben und Trommeln - damals autodidaktisch. »Was mich dazu bewegt hat, Schlagzeug zu spielen? Ja, eben die Faszination«, meint sie. Heute ist die Tübingerin professionelle Schlagzeugerin und gibt Unterricht in ihrer eigenen Schlagzeugschule, sowie an der Kirchenmusikhochschule in Tübingen.
Als Frau ist sie in einem von Männern dominierten Berufsfeld gelandet. Professionelle Schlagzeugerinnen gäbe es aktuell auf dem Markt in Deutschland einige, allerdings in der Region eher weniger, sagt Wetzel. Ein Beispiel ist die international erfolgreiche Schlagzeugerin Anika Nilles. Sie studierte an der Popakademie in Mannheim und verschaffte sich durch eine Karriere als Künstlerin auf Youtube Gehör in der internationalen Schlagzeugerszene.
»Im Vergleich zu anderen Instrumenten ist das Schlagzeug eher komplex«, meint die Tübingerin. Hier werden beide Füße zusätzlich zu den Händen gespielt. Während ein Bassist, oder ein Gitarrist eben mit den Händen schnelle Melodien und groovende Bassläufe spielt, müsse sich der oder die Schlagzeugerin ganz darauf konzentrieren, alle vier Gliedmaßen rhythmisch zu bewegen.
Durch besonders kraftvolles, oder sensibles Spiel haben Schlagzeuger großen Einfluss darauf, wie ein Musikstück wirkt. In der Praxis kann man dies bei genauem Hinhören oftmals am Unterschied des Schlagzeugspiels zwischen Vers und Refrain eines Liedes erkennen.
»Es kann durchaus auch so sein, dass das Schlagzeug in einem Stück drei Minuten lang den selben Rythmus durchspielt« - während andere Instrumente oftmals Melodien und Töne spielen, sagt die Tübinger Schlagzeugerin. Das kann auch eine Herausforderung sein: Einen Song zum Klingen zu bringen bedarf nicht immer mehr - Stücke, wie »Highway to Hell« von AC/DC, oder Queens »Another one bites the dust« leben von simplen Grooves und zurückhaltung des Schlagzeugers was ausgefallene Spielweisen angeht. Dort ist weniger mehr. Sich daran zu halten und bewusst zurückhaltung zu üben ist nicht immer einfach.
In einer Band spielen Schlagzeuger eine vergleichbare Rolle eines Dirigenten eines Orchesters. »Sie sind verantwortlich für das Tempo und dieses auch zu halten. Zeitgleich stellen sie treibende Kraft dar, die die Band durch das ganze Stück führt«, erläutert Marion Wetzel.
Das Schlagzeugspiel unterscheidet sich allerdings von Genre zu Genre: Im Bereich der Popularmusik setzt man auf simple, grundsolide Grooves, die die Schwerfälligkeit des Musikstückes unterstützen. Eine druckvolle, treibende Spielweise ist hier gefragt. Die Snaredrum wird als knallender »Backbeat« auf die Zählzeiten zwei und Vier gespielt, die große, liegende Basedrum betont den Groove auf die Zählzeiten eins und drei.
In anderen Genres, wie Jazz hingegen ist leichtes und fast schon melodisches Spiel notwendig. Die Bläser einer Big Band durch akzentuierte Schläge zu begleiten und sich aber im Rest zurück zu halten, um den restlichen Mitmusikern Raum zu bieten ist hier die Kunst. Hier werden Becken mit fast sphärischen Klängen eingesetzt, auch die restlichen Teile des Schlagzeugs spielen eher im Hintergrund. »Jazz ist nicht zwangsweise leiser, es gibt schon auch Jazznummern, die laut gespielt werden - aber die Verteilung auf die einzelnen Instrumente ist eine andere«, schließt Wetzel. Die Vielfalt des Instruments fasziniert die professionelle Schlagzeugerin bis heute. (GEA)