TÜBINGEN. Der Erste Solist des Stuttgarter Balletts, Friedemann Vogel, lehrt und forscht ab dem Wintersemester 2024/25 als assoziiertes Mitglied und langfristiger Partner am Sonderforschungsbereich »Andere Ästhetik« der Universität Tübingen. Friedemann Vogel gilt als einer der renommiertesten Balletttänzer der Welt.
Eine erste gemeinsame Lehrveranstaltung wird im Wintersemester zum Thema »Arts of Movement. Tanz als ästhetische Reflexionsfigur« angeboten. Eine weitere folgt zu »Tanzfiguren – Textfiguren. Der Tanz als Thema der Dichtung vom 10. bis zum 21. Jahrhundert«. Außerdem werden die Forschenden im Rahmen eines Workshops in die Praxis der Bewegung mit hineingenommen, indem sie mit Friedemann Vogel Bewegungsabläufe analysieren.
»Der Austausch von Wissenschaft und Kunst, von rationalen und intuitiven Erkenntnissen, erlaubt die gewinnbringende Entwicklung neuer Perspektiven und Konzepte«, begründet Vogel sein Interesse an der Kooperation. »Mein außerordentliches Interesse an ästhetischen Fragen macht die Assoziierung zum Sonderforschungsbereich ›Andere Ästhetik‹ für mich sehr attraktiv.« »Friedemann Vogel wird eine Prüfinstanz für unsere Forschung sein, denn sie muss sich immer an der Gegenwart und ihren aktuellen Fragen bewähren«, sagt Professorin Annette Gerok-Reiter, Sprecherin des Sonderforschungsbereichs Andere Ästhetik. Im Sonderforschungsbereich untersuchen Forschende aus 20 Fachdisziplinen seit 2019 Texte, Bilder oder Musikstücke von der Antike bis zur Frühen Neuzeit. Sie fragen: Warum bewegt uns Kunst? Was verstehen wir unter Ästhetik? Was leistet Kunst in der und für unsere Gesellschaft? »›Andere Ästhetik‹ meint, wir interessieren uns nicht für Kunst im abgeschirmten Elfenbeinturm; vielmehr wollen wir wissen, warum Künste gesellschaftliche Realität schon immer gespiegelt, geprägt und mitkonstituiert haben und dies auch heute noch tun«, so Gerok-Reiter.
Performance in Alter Anatomie
Zum Auftakt der Kooperation tanzte Friedemann Vogel im März in der Alten Anatomie in Tübingen eine eigens für den Sonderforschungsbereich konzipierte Performance. Wo einst der Seziertisch stand, entstand ein Bühnenraum. Vogel hatte die Performance mit dem Choreografen Thomas Lempertz und Prof. Dr. Anna Pawlak, stellvertretender Sprecherin des Sonderforschungsbereichs, unter dem Titel »Écorché! Anatomie des Tanzes« entwickelt. Als Écorchés werden enthäutete Mensch- und Tierkörper bezeichnet, die sowohl in der Medizin wie auch in der Kunst Gegenstand anatomischer Studien waren. In der Performance setzte sich Vogel mit dem Konzept des Écorchés auseinander, indem er den Vorgang der Enthäutung tänzerisch ausdeutete. Die Performance ist auf der Webseite des Sonderforschungsbereichs zu sehen.
Vogel, 1979 in Stuttgart geboren, absolvierte seine Ballettausbildung an der dortigen John Cranko Schule. 1998/99 wurde er Mitglied des Stuttgarter Balletts, drei Jahre später Erster Solist. Vogel begleitet das Stuttgarter Ballett auf Tourneen in der ganzen Welt und trat als Gasttänzer an der Mailänder Scala, beim Staatsballett Berlin, dem Finnischen Nationalballett, dem National Ballet of China und dem Marijnsky Theater auf. 2021 wählte ihn das Internationale Theaterinstitut unter dem Dach der Unesco als Botschafter für den Internationalen Tanztag. (eg)