REUTLINGEN. Die Publikumsjury hat entschieden. Nach intensiver Beratung in der Nacht von Sonntag auf Montag stand fest: Jessica Schultheis mit »All das Schöne« (Regie: Stephanie Rolser) hat beim Monospektakel, dem Solo-Festival am Theater Die Tonne, den ersten Platz belegt. Die fünf Personen, die stellvertretend für das Festivalpublikum aus den sieben gezeigten Gastspielen ihren Favoriten küren durften, standen erwartungsgemäß vor einer harten Entscheidung.
Von der schauspielerischen Leistung bis zum Bühnenbild herausragend, seien alle Solostücke doch schwierig miteinander zu vergleichen, so die Jury. Gemeinsam sei allen Inszenierungen ihr Jetzt-Bezug gewesen. Eine Feststellung, die besonders das Auswahlgremium hinter den Kulissen erfreute: War es doch in der diesjährigen (aufgrund der Pandemie um ein Jahr verschobenen) Runde das Ziel gewesen, Produktionen einzuladen, die sich mit aktuellen Aspekten von Menschlichkeit beschäftigen.
Vier Stücke setzten sich mit ihren jeweiligen Besonderheiten relativ schnell vom Mittelfeld ab, darunter »Nee, ich bin bloß fett geworden …« mit Anaela Dörre und »Adams Äpfel« mit Sebastian Kreutz. Das äußerst knappe Rennen um Platz eins jedoch lieferten sich letztlich »Die Mondmaschine«, die für ihre Komplexität und Themenvielfalt sowie für die schauspielerische Leistung von Antonia Labs gelobt wurde, und »All das Schöne«.
Reihum bewerteten die Jurymitglieder auf einer Skala von 1 bis 10, wie viel Widerstand sie spürten, wenn eines der Stücke auf die hinteren Plätze rückte. Basierend auf dieser Punktevergabe stand die Siegerin schließlich fest. Die Jury betonte in ihrer Entscheidung, wie die ausgezeichnete Inszenierung in ihrer Zugewandtheit einen Zugang für das gesamte Publikum geschaffen habe.
Jedes Jahr ein Unikat
Zum einen seien die Zuschauenden geschickt ins Spiel eingebunden worden. Zum anderen sei die schwere Thematik des Stücks (ein Mädchen verarbeitet den Suizidversuch der Mutter bis ins Erwachsenenalter durch das Erweitern einer Liste mit den schönen Dingen im Leben) auf gelungene Art und Weise mit Leichtigkeit umgesetzt worden.
Als extrem wichtig für ihre fundierte Entscheidung hob die Jury nicht zuletzt die niedrigschwelligen und unaufgeregten Publikumsgespräche hervor. Allgemein haben die Mitglieder ihre Tätigkeit als eine sehr belebende, bereichernde Erfahrung empfunden. Ihr Blick aufs Theater habe sich durch den Austausch geschärft und an gesteigerter Ernsthaftigkeit gewonnen.
Gewinnerin Jessica Schultheis, die an der Tonne bereits 2020 in »Die Räuber« zu sehen war, war am Tag der Entscheidung bereits abgereist. Für sie bedeutet dies, dass sie bald erfreuliche Post bekommen wird. Darin enthalten: der Festivalpreis in Form der Tonnella-Trophäe, jedes Jahr ein Unikat, angefertigt von der Ausstatterin Mihaela Gadzheva-Nedelcheva. (eg)