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Hochschule Reutlingen: Erste Sinfonie von Stephan Wehrle

Die erste Sinfonie von Stephan Wehrle, gleichzeitig sein Studienabschluss, wird diesen Sonntag uraufgeführt

Mit Anorak in der Maschinenhalle: Das Martinskollegium probt mit Dirigent und Komponist Stephan Wehrle (rechts).  FOTO: KNAUER
Mit Anorak in der Maschinenhalle: Das Martinskollegium probt mit Dirigent und Komponist Stephan Wehrle (rechts). Foto: Armin Knauer
Mit Anorak in der Maschinenhalle: Das Martinskollegium probt mit Dirigent und Komponist Stephan Wehrle (rechts).
Foto: Armin Knauer

REUTLINGEN. Kalt ist es in der Maschinenhalle im Wagner-Areal, die Musiker haben sich in dicke Jacken gehüllt, nebenan röhren Motoren. Keine einfache Orchesterprobe, doch Dirigent und Ensemble bleiben konzentriert bei der Sache. Denn man ist auf der Zielgeraden. Noch wenige Proben trennen Stephan Dominikus Wehrle von der Uraufführung seiner ersten Sinfonie – die gleichzeitig seine Masterarbeit im Fach »Künstlerische Konzeption« an der Hochschule Reutlingen ist. Diesen Sonntag soll das Werk zum ersten Mal erklingen, umgesetzt unter seiner eigenen Leitung vom Pfullinger Martinskollegium in der Reutlinger Marienkirche.

50 Minuten Musik sind das, nicht in einzelne Sätze aufgeteilt und doch immer wieder stark abwechselnd im Charakter. Sakrales, Tänzerisches Kosmisches. Mittelaltermusik, Filmmusik, Spätromantik. All das wird an den Hörern vorüberziehen. Zwischen all dem wird ihnen ein zentrales Proportionsgesetz der Natur begegnen. Denn viele seiner Melodien, Rhythmen und Harmonien hat Wehrle an der »Fibonacci-Reihe« orientiert.

In dieser Zahlenreihe ergibt jeweils die Summe der zwei vorhergehenden Zahlen die nächste. Die Zahlenverhältnisse der Reihe bestimmen die Proportionen von Einzellern, Schneckenhäusern und ganzen Galaxien. Wenn sich solche Proportionen überall in der Natur finden, so Wehrles Überlegung, dann lässt sich letztlich auch Musik im Aufbau des Kosmos an sich entdecken. »Harmonie der Sphären« hat er daher seine Sinfonie genannt.

Corona verhindert Klangskulptur

Eine klingende Skulptur sollte ursprünglich diese Einheit von Musik und Kosmos symbolisieren. Ein großer, glänzend schwarz lackierter Dodekaeder, den Wehrle schuf – weil bereits Platon die Idee äußerte, der Kosmos insgesamt besitze diese Form. Der Dodekaeder sollte bei der Aufführung mitten im Orchester platziert sein, mit Mikrofonen dessen Schall aufnehmen und ihn mit Schallerzeugern an seinen Innenwänden verfremdet wieder zurückspielen. Die Corona-Schutzmaßnahmen vereitelten das. Mitsamt dem Dodekaeder wäre nicht genügend Platz gewesen im Altarbereich der Marienkirche, um die Orchestermusiker mit Distanz zueinander unterzubringen. Also erklingt die Sinfonie nun erst einmal rein akustisch, ohne die Klangverfremdung durch Live-Elektronik.

Ohnehin besteht die Masterarbeit Wehrles nicht allein aus seiner Sinfonie. Sondern aus der kompletten Realisierung von der theoretischen Konzeption über die Proben und die Konzertplanung bis zur fertigen Uraufführung.

Die Corona-Pandemie hat diese Aufgaben zu einem Riesenbrocken gemacht. Zur normalen Konzertplanung kam noch ein ausgefeiltes Hygienekonzept. Probenräume von genügender Größe mussten gefunden werden. Den Streicherpart konnte Wehrle mit dem Martinskollegium in der Pfullinger Thomaskirche proben. Zusammen mit den Bläsern ist es dort zu eng. Also zieht man in eine Maschinenhalle im Reutlinger Wagner-Gelände. Und lebt geduldig mit Schleifgeräuschen und Motorenlärm von nebenan, wo an Autos geschraubt wird.

Auch die Besetzung musste Wehrle abspecken, wie er erklärt. Vom vollen Bläser-Apparat blieben nur acht Musiker übrig, dazu kommen Streicher, Pauken, Harfe und Orgel. Und ein Mädchenchor. Der sollte ursprünglich im Sinne eines Raumklangkonzepts bei der Hauptorgel stehen und sich dann singend durch das Kirchenschiff bewegen. Das geht unter Corona-Bedingungen natürlich nicht. Nun spielt der Organist anstelle der Hauptorgel die Altarorgel und der Mädchenchor verteilt sich über den gesamten Chorraum mit jeweils drei Metern Abstand von Sängerin zu Sängerin.

Trotz der reduzierten Bläser ist der Klang voll und farbig, wie ein Probeneindruck zeigte. Abstrakte Klänge brauchen die Besucher nicht zu befürchten, die Musik geht ins Ohr, vermittelt Emotion, klingt mal majestätisch, mal zart und geheimnisvoll. Die Sphären von Filmmusik, Folk und Mittelalter kann und will Wehrle nicht verleugnen. Hat er doch während seines Bachelor-Studiums in Musikdesign in Trossingen bereits mehrere Filmprojekte mit Musik versorgt, vor allem Fantasy-Streifen. Und er hat länger in einer Mittelaltergruppe gespielt. Seine Sinfonie »Harmonie der Sphären« wird die Besucher daher auch durch die Jahrhunderte führen. (GEA)

KONZERTINFO

Die erste Sinfonie von Stephan Dominikus Wehrle, »Harmonie der Sphären«, wird am Sonntag, 25. Oktober, um 19 Uhr in der Marienkirche Reutlingen vom Martinskollegium Pfullingen unter der Leitung des Komponisten aufgeführt. Der Eintritt ist frei, zur Teilnahme muss man jedoch einen Einlass-Schein erwerben, entweder über die Internetadresse

www.eventbrite.de/e/sinfonie-nr-1-harmonie-der-spharen-stephan-dominikus-wehrle-tickets-114339253786

oder unter der unten genannten E-Mail-Adresse. (GEA)

harmonie-der-sphaeren@gmx.de