TÜBINGEN. »Mitreißende filmische Entdeckungen« verspricht das Arabische Filmfestival in seinem 16. Jahr – »das wichtigste Festival für den neuen arabischen Film im deutschsprachigen Raum und eines der größten Filmfestivals Europas mit dem Schwerpunkt auf dem arabischen Film«, wie die Veranstalter betonen.
Trotz der Corona-Pandemie findet das Festival vom 1. bis 10. Oktober statt, allerdings im reduzierten Umfang mit 35 Filmen aus 18 Ländern in 46 Vorstellungen. Seit 2005 wird das Festival vom Verein Arabischer Studenten und Akademiker Tübingen veranstaltet. Eine Botschaft des Dialogs und der Verständigung soll davon ausgehen.
Eröffnet wird die Filmschau am 1. Oktober um 20 Uhr im Stuttgarter Kino Delphi mit Tarazan und Arab Nassers Film »Gaza Mon Amour«. Der Film spielt im Gaza von heute: Fischer Issa, um die 60, ist heimlich in die geschiedene Marktverkäuferin Siham verliebt. Eines Tages findet er in seinem Fischernetz eine Bronze-Statue des olympischen Gottes Apollo mit einem imposanten erigierten Penis. Der Fund wirbelt Issas Leben und das der Menschen um ihn herum gehörig auf. Die Tragikomödie feierte ihre Weltpremiere bei den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig. Im Tübinger Kino Atelier wird der Spielfilm am 2. Oktober um 20 Uhr gezeigt.
In Tübingen ist zum Start am 1. Oktober um 20.30 Uhr »Scales – Sayidat al Bahr«, eine Koproduktion der Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabiens und des Irak, zu sehen. Der Film wird am 6. Oktober um 17 Uhr auch im Reutlinger Kino Kamino gezeigt, in der Originalfassung mit englischen Untertiteln. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mädchens, Hayat, das in einem armen Fischerdorf mit einer dunklen Tradition lebt: Um den Fischfang zu sichern, muss jede Familie den meerjungfrauenähnlichen Meerestieren, die in den nahen Gewässern leben, eine Tochter opfern. Als Hayats Vater sich weigert, nimmt das Thriller-Drama seinen Lauf. Als eine »feministische Parabel in einer dystopischen Landschaft« beschreiben die Festivalmacher den Debütfilm der saudi-arabischen Filmemacherin Shahad Ameen. Seine Weltpremiere feierte er im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen in Venedig.
Berlinale-Gewinner
In der Sektion »Panorama« zeigt das Festival unter anderem »Zanka Contact« (6. Oktober, 20 Uhr, Kino Atelier Tübingen), ein Drama, für das in diesem Jahr die Marokkanerin Khansa Batma bei den Filmfestspielen in Venedig als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Sie spielt in dem Film von Ismael El Iraki die Prostituierte Rajae, die mit dem Rocker Larsen nicht nur ein Trauma, sondern auch eine leidenschaftliche Liebe und die Liebe zum Rock ’n’ Roll verbindet. In Casablanca stehen ihrem Glück unter anderem sadistische Polizisten und giftige Schlangen im Weg.
In der Sektion »Arabische Welten« führt der Dokumentarfilm »Paris Stalingrad« (3. Oktober, 17.30 Uhr, d.a.i. Tübingen und 4. Oktober, 17 Uhr, Kamino Reutlingen) in den Sommer 2016 zurück, als unweit der Metro-Station Stalingrad in Paris Geflüchtete in provisorischen Lagern unter freiem Himmel leben. Hind Meddebs Film folgt insbesondere Souleymane, einem Heranwachsenden aus Darfur mit Sinn für Poesie. Ein Kollektiv aus Geflüchteten und Aktivisten kümmert sich um die Essensausgabe und das große Ganze. Die Behörden vor Ort scheinen überfordert.
In der Sektion »Shubbak – Fenster zur islamischen Welt« zeigt das Festival im Kamino in Reutlingen (3. Oktober, 11.30 Uhr) »There Is No Evil – Doch das Böse gibt es nicht«. Mohammad Rasoulof erzählt darin vier Geschichten über Menschen, deren Leben vor existenziellen Herausforderungen stehen. Sie werfen die Fragen auf, wie integer ein Mensch in einem absolutistischen Regime bleiben, welche moralische Schuld er ertragen kann, ohne zu zerbrechen, und zu welchem Preis es gelingt, die individuelle Freiheit zu bewahren. »There Is No Evil« gewann in diesem Jahr auf der Berlinale den Goldenen Bären.
Gewaltfreier Protest
Unter der Überschrift »Global South – Together For A Better World« geht es um Perspektiven für eine bessere Welt. Hier ist mit »The Great Green Wall« von Jared P. Scott (7. Oktober, 19 Uhr, Musikschule Tübingen) ein Dokumentarfilm zu sehen, der eines der ehrgeizigsten Klima-Projekte der Welt in den Fokus nimmt: Quer über den afrikanischen Kontinent wird ein 8 000 Kilometer langer Gürtel aus Bäumen gepflanzt, der die Ausbreitung der Wüste aufhalten und Millionen von Menschen Nahrung, Arbeitsplätze und eine Zukunft bringen soll. Entlang dieser noch lückenhaften grünen Mauer reist die malische Sängerin Inna Modja zu den Menschen im Senegal, in Mali, Nigeria und Äthiopien und spricht mit ihnen über ihre Ängste, Träume und Hoffnungen. Der Film entstand mit Unterstützung der Vereinten Nationen.
In einem »Special: Rassismus« läuft Camilla Halls Dokumentarfilm »Copwatch« (3. Oktober, 20 Uhr, d.a.i. Tübingen) über das Filmen als gewaltfreie Form des Protests und als Abschreckung gegen Polizeibrutalität in den USA. Neue Arabische Kurzfilme präsentiert das Festival am 4. Oktober um 11.30 Uhr im Kamino in Reutlingen und am selben Tag um 20 Uhr im d.a.i. in Tübingen. (eg/cbs)
www.arabisches-filmfestival.de