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Aktuell Prozess

Weshalb ein Arabisch-Lektor aus Tübingen das Land verklagt

Beim Gerichtstag in Balingen erhob der Kläger schwere Vorwürfe gegen die Uni Tübingen. Es geht auch um den Entzug seiner Lehrerlaubnis.

Ein Arabisch-Lektor verklagte die Universität Tübingen wegen Mobbings und Diskriminierung.  FOTO: LEUKHARDT
Ein Arabisch-Lektor verklagte die Universität Tübingen wegen Mobbings und Diskriminierung. Foto: Leukhardt
Ein Arabisch-Lektor verklagte die Universität Tübingen wegen Mobbings und Diskriminierung.
Foto: Leukhardt

TÜBINGEN/BALINGEN. Der Donner hätte bedrohlicher nicht grollen können über der Balinger Stadthalle, als sich in deren Konferenztrakt beide Streitparteien gegenübersaßen – sich nicht minder groll. Die Richterin am Arbeitsgericht Reutlingen, Natascha Maute, die am Gerichtstag in Balingen die Verhandlung führte, gab zunächst einen kurzen Einblick in den Streitfall. Der Kläger habe den Sachverhalt sehr umfangreich dargelegt, unter anderem mehrere Unterlassungsanträge gestellt, dabei um die »Ergreifung von Maßnahmen« gebeten, »die zur Unterlassung von Benachteiligungen« führen sollten.

Differenzen zwischen dem Lektor für arabische Sprache und der Uni Tübingen gebe es seit April 2022. Studenten hätten sich über den Lektor beschwert und seine Art des Unterrichts kritisiert. Unter anderem hätten Bücher und Unterlagen zur Nachbereitung des Unterrichts gefehlt.

»Arbeit, die sinnstiftend und schön ist«

Der Lektor seinerseits erhob daraufhin Vorwürfe gegen zwei Professoren und einen wissenschaftlichen Koordinator, am Rande auch gegen weitere Mitarbeiter der Universität. So habe ein Professor »wahrheitswidrig behauptet, der Kläger sei nicht befugt, Zwischenprüfungen abzunehmen«, wie die Richterin zitierte. Immer wieder sei er zu Sitzungen ein- und bewusst wieder ausgeladen worden und man habe ihm mangelnde Erfahrung in seinem Fach vorgeworfen. Dass sein Familienname an der Universität bewusst zu »Ahmadineschãd« verunglimpft werde und so Bezug zum ehemaligen Präsidenten des Iran hergestellt werde, empfinde der Kläger als Demütigung. Auch dass man ihm unterstelle, er sei ein iranischer Agent, erfülle den Vorwurf des Mobbings.

Dabei mache er seine Arbeit, »die sinnstiftend und schön ist, sehr gerne«, wie er in Balingen selbst betonte. So seien auch nicht die Beschwerden der Studenten das Problem, sondern der Umgang der Kollegen und Vorgesetzten mit ihm. Am schlimmsten sei für ihn der Entzug seiner Lehrerlaubnis und die Tatsache, dass man ihm als vertraglich beschäftigtem Lektor für Arabisch einen Mangel an theologischer Eignung vorwerfe. Eine Behauptung, die die Beklagtenseite vehement bestritt.

»Wo ich mir einen würdevollen Umgang erhofft hatte«

Grund für den Ärger, das kristallisierte sich im Lauf der Verhandlung heraus, war eine offenbar missverständlich formulierte und an den falschen Adressaten geschickte E-Mail. Darin war die Frage aufgeworfen worden, ob der Kläger fachlich dazu geeignet sei, nicht nur Sprachunterricht zu geben, sondern darin auch theologische Texte zu verwenden. Er sei selbst Muslim, gläubig und praktizierend.

Für ihn seien die Zweifel an seiner theologischen Eignung »willkürlich und herbei gesponnen, um einen Menschen zu diskriminieren. Das macht mich sprachlos und ich halte es für einen Skandal, dass so was an einer deutschen Universität passieren darf«, wie er betonte.

Auch die Versetzung an eine neue Arbeitsstelle, »wo ich mir einen würdevollen Umgang erhofft hatte«, habe nicht die erwartete Verbesserung gebracht. Er sei zum Fremdsprachenzentrum gewechselt, um dort Lehramtsstudierende zu unterrichten »und weitere Lehraufgaben zu übernehmen«. Doch auch hier sehe er sich in seiner Arbeit massiv eingeschränkt. »Es war bis kurz vor der Verhandlung unklar, ob die Kurse dauerhaft anerkannt werden«, erklärte er. Aktuell arbeite er lediglich als Aushilfslehrer mit vier regulären Stunden und gebe zwei Stunden Nachhilfe. »Das ist eine völlige Degradierung meiner Stellung«, betonte er. Das Rektorat habe in all der Zeit nichts unternommen, um ihn zu schützen, so sein Vorwurf.

»Ist ja auch betriebswirtschaftlich eine Katastrophe«

Dass die Eignung des Lehrenden überprüft werde, sobald es sich um konfessionellen Unterricht handle, sei eine völlig normale Vorgehensweise, betonte Dr. Rüdiger Gänslen, der die Beklagtenseite vertritt. Auch die Frage, ob die Kurse anerkannt seien, sei berechtigt gewesen, »ein völlig üblicher Vorgang«. Da man recht schnell festgestellt habe, »dass es formal kein konfessioneller Unterricht ist, war eine solche Eignungsprüfung nie geplant«, erklärte er.

Aus den zitierten Mails gehe »deutlich hervor, dass man seine Kompetenz nie in Abrede gestellt hat«, wie der Anwalt mehrfach unterstrich.

Die Tatsache, dass der Kläger zurzeit so wenig unterrichte, »ist ja auch betriebswirtschaftlich eine Katastrophe, die Universität tut alles, um die Kurse besser zu belegen, aber es wird aktuell zu wenig nachgefragt«, beschrieb er.

»Viele Dinge sehr forsch anderen Leuten vorgeworfen«

Dass die Kommunikation via E-Mail ein wenig »schieflief«, räumte er ein, »es ist aber auch bezeichnend, dass Sie, obwohl es mittlerweile zigfache Bekenntnis gab, sich weiterhin als Person angegriffen sehen«, wie er erklärte. Immerhin habe der Kläger selbst »viele Dinge sehr forsch anderen Leuten vorgeworfen, die dann brüskiert waren, wie Sie mit sachlicher Kritik umgehen«.

Auch den Vorwurf, die Uni habe kein Interesse an einer Aufarbeitung der Vorkommnisse oder an einer Mediation gehabt, ließ er nicht gelten. Es habe sehr wohl viele solcher Gesprächsangebote gegeben. Falsch sei auch, dass man dem Lektor Rechte entzogen habe. Bis zuletzt sei er auch die Antwort darauf, wer ihn als iranischen Agenten bezeichnet habe, schuldig geblieben. »In diesem Fall hat die Uni sogar disziplinarische Maßnahmen in Erwägung gezogen, aber wir wissen nicht, gegen wen sich dieser Vorwurf überhaupt richtet«, so der Uni-Vertreter. Sein Appell an den Kläger: »Bleiben Sie bitte bei der Wahrheit.« Das Urteil soll nach Beratung online veröffentlicht werden. (zak)