TÜBINGEN. Es scheint, als wiederhole sich die Geschichte: Bald ein Jahr ist es her, dass in Tübingen die ersten kostenlosen Corona-Schnelltests für Bürger angeboten wurden und die Stadt mit dem »Tübinger Weg« deutschlandweit in die Schlagzeilen gelangte. Nun geht die Uni-Stadt wieder einen anderen Weg, als der Rest der Republik.
Am Sonntag endet das Angebot der kostenlosen Schnelltests für alle, von Montag an werden sie nur noch in Ausnahmefällen vom Bund finanziert. In Tübingen darf sich dagegen weiterhin jeder auf dem Marktplatz kostenlos schnelltesten lassen. Ein Zertifikat, das die Corona-Landesverordnung im Rahmen von 3G vorsieht, bekommen aber nur noch bestimmte Personen ausgestellt: Kinder unter zwölf Jahren, bis Ende des Jahres Kinder unter 18 Jahren, Schwangere sowie Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. Tests für diese Personen werden weiter vom Bund bezahlt.
Besonders in Tübingen: Auch sozial schwache Menschen mit Kreis-Bonus-Card bekommen weiter ein Zertifikat ausgestellt, ebenso Menschen mit einer attestierten Angststörung. »Ich hatte schon mit einigen Menschen mit Angststörung zu tun, die ich wirklich Monate von einer Impfung überzeugen musste«, sagt DRK-Präsidentin und Notärztin Dr. Lisa Federle. »Diese Menschen kriegst du nicht einfach durch Druck zur Impfung.« Auch noch nicht voll immunisierte Personen und Genesene mit Antikörpernachweis bekommen weiter ein Zertifikat. Wer keiner dieser Gruppen angehört und trotzdem ein Zertifikat möchte, muss eine Apotheke aufsuchen, sagt Federle. Beim DRK sei das nicht möglich.
Schon früh auf Schnelltests gesetzt
Das kostenlose Testangebot wirke der sozialen Spaltung der Gesellschaft entgegen, sagt Federle. Sie hat schon auf flächendeckende Schnelltests gesetzt, als davon bundesweit noch keine Rede war. Dass die Tests von Montag an kostenpflichtig sind, findet sie generell »nicht gut. Das kostenlose Testen gibt den Menschen einfach eine Sicherheit.«
Erst jüngst habe sie wieder einen Schüler getestet, der doppelt geimpft und trotzdem infiziert war. Auch in Anbetracht der anbrechenden Erkältungswelle im Herbst sei ein kostenloses und niederschwelliges Testangebot wichtig, so Federle. So könnten Menschen rasch klären, ob sie sich womöglich mit Corona angesteckt haben. Sicherheit und Erkennung von Impfdurchbrüchen wiegen aus ihrer Sicht die Kosten für die Schnelltests auf.
Sozial Schwache unterstützen
Das Deutsche Rote Kreuz finanziert die Tests in Tübingen mit zweckgebundenen Spenden. Knapp 100 000 Euro habe man noch übrig, heißt es auf GEA-Anfrage. Der größte Teil stammt aus der Weihnachtsspendenaktion des Schwäbischen Tagblatts. Außerdem habe es großzügige Einzelspender gegeben, und viele Menschen hätten bei den Testaktionen im vergangenen Winter Geld in die Spendenkasse geworfen. Da das Geld zweckgebunden ist, darf es nur für weitere Tests ausgegeben werden. Wie lange es ausreicht, lasse sich kaum kalkulieren, so Federle.
Das Angebot bleibt vorerst für alle Personen offen. Auch für solche, die ihren Wohnsitz nicht in Tübingen haben. Federle betont aber, dass man flexibel bleibe, und sich weiter an Nachfrage, Hospitalisierungsrate, politische Vorgaben und medizische Erkenntnisse anpasse. Das Arztmobil wartet sogar mit einem medizinischen Upgrade auf: Schnelltests, die positiv ausfallen, können noch vor Ort mit einem »ID NOW« getestet werden. Das ist ein Gerät, das einen PCR-Nachweis innerhalb von 15 Minuten liefern kann.
Übrigens geht nicht nur Tübingen einen Sonderweg: Auch Rottenburg bietet weiterhin vorerst kostenlose Schnelltests für alle an. Dieses Angebot finanziert die Stadt. (GEA)
Das Arztmobil steht montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr auf dem Tübinger Marktplatz, samstags von 9 bis 13 Uhr, sonntags von 11 bis 14 Uhr.