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Warum Angela Merkel bei Tübingens Landrat angerufen hat

Kanzlerin Angela Merkel hat überraschend bei Tübingens Landrat Joachim Walter angerufen.
Kanzlerin Angela Merkel hat überraschend bei Tübingens Landrat Joachim Walter angerufen. Foto: dpa, Landratsamt
Kanzlerin Angela Merkel hat überraschend bei Tübingens Landrat Joachim Walter angerufen.
Foto: dpa, Landratsamt

TÜBINGEN. Grün ist bekanntlich die Farbe der Hoffnung, in Coronazeiten ist es jedoch orange. Zumindest auf der Karte des Landesgesundheitsamts, auf der die Inzidenzen der einzelnen Landkreise dargestellt sind. Orange eingefärbt sind alle, deren Zahl neuer Covid-19-Fälle innerhalb von sieben Tagen unter 50 pro 100.000 Einwohner liegt. Würde es mehr solcher Flecken geben, dürften wir womöglich bald wieder von Lockerungen träumen. Doch leider gibt es landesweit aktuell nur vier solcher Hoffnungsschimmer. 

Einer davon ist der Kreis Tübingen, Stand Montag liegt die Inzidenz dort bei 49,5. Ein Erfolg, der in überregionalen Medien meistens Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer und Notfallmedizinerin Lisa Federle zugeschrieben wird, weil sie sich schon früh für den Schutz von vulnerablen Gruppen eingesetzt haben. In verschiedenen TV-Formaten sprechen sie über den »Tübinger Weg«, auf Twitter und Facebook werden die beiden, allen voran Palmer, von den Usern für das Unterschreiten der magischen Marke gefeiert. 

Kanzlerin und Landrat hatten schon einmal Kontakt

Schließlich ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Tübingen aufmerksam geworden und hat persönlich dort angerufen. Allerdings nicht, wie in den Sozialen Medien verbreitet wurde, bei OB Palmer. Auch nicht bei Lisa Federle, sondern bei jemandem, der bei allen Lobeshymnen um die Tübinger Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus deutlich weniger im Rampenlicht steht: Joachim Walter. Als Landrat ist er für das Pandemie-Management im Kreis Tübingen mit seinen 227.000 Einwohnern verantwortlich. Die Inzidenz errechnet sich übrigens aus dieser Bevölkerungszahl, nicht aus den 89.000 Bürgern der Unistadt, für die Palmer zuständig ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass Walter und Merkel miteinander sprechen. »Trotzdem macht man sich so seine Gedanken, wenn ein Anruf der Kanzlerin angekündigt wird«, sagt der Landrat. Den Start des Gesprächs beschreibt er so: »Da meldet sich das Sekretariat, das sagt, 'Ich verbinde sie'. Dann folgt ein lockeres 'Ja, hallo, Merkel hier'.« Und was wollte sie? Glückwünsche übermitteln, Tipps einholen? Weder noch. Über den »Tübinger Weg« und die Inzidenz habe man gar nicht gesprochen, verrät Walter. Sie wüssten beide, dass Letzteres eine fragile Angelegenheit sei.

Merkel erkundigt sich nach Personalbedarf

Stattdessen wollte Merkel wissen, wie groß der Personalbedarf im Kreis sei, um - wie in der jüngsten Verschärfung der Corona-Verordnung verankert wurde - sämtliche Besucher von Pflegeheimen zu testen. »Wir werden das erneut erheben und direkt an das Kanzleramt melden«, antwortete der Landrat. Außerdem berichtete er der Kanzlerin von Schwierigkeiten bei der Impfterminvergabe. »Es war gut, dass sie das mal von jemandem hört, der tatsächlich mit diesem Problem umgehen muss«, so Walter. Merkel erkundigte sich auch, wie Tübingen das mit dem Impfzentrum umgesetzt hat und bedankte sich, dass sich der Kreis für ein Zentrales Impfzentrum entschieden hat, obwohl das nicht verpflichtend gewesen wäre.

Etwa eine halbe Stunde hat sich die Kanzlerin Zeit genommen. Ob es gutgetan hat, dass sie sich bei ihm gemeldet hat, während die Lorbeeren in der Corona-Krise bislang oft an andere gingen? Walter lacht. »Ich mache den Job nicht, um Lob zu bekommen. Die Anerkennung kriegen ohnehin nicht immer die Richtigen«, sagt er und fügt schnell an: »Ich sage aber nicht, dass das in Tübingen so ist.« (GEA)