TÜBINGEN. Sie hat es zum sechsten Mal geschafft: Anette Widmann-Mauz hat sich das Direktmandat für die CDU im Wahlkreis Tübingen gesichert. Sie erhielt 27 Prozent der Erststimmen und liegt damit nur hauchdünn vor ihrem Konkurrenten Chris Kühn von den Grünen. Ihr Sieg reiht sich in eine Serie ein, die 1980 begonnen hat: Bis auf eine Ausnahme im Jahr 1998 haben sich die Christdemokraten im Wahlkreis Tübingen immer das Direktmandat gesichert. Anette Widmann-Mauz ist seit 1998 Bundestagsabgeordnete.
Dabei hatte Chris Kühn von den Grünen noch Wochen vor der Wahl angekündigt, er wolle - angesichts blendender Umfragewerte - die CDU-Dominanz im Wahlkreis brechen. Doch das gelang weder ihm (25,7 Prozent der Erststimmen) noch Dr. Martin Rosemann, dem Kandidaten der SPD (18,2 Prozent der Erststimmen). Die beiden sind auf den jeweiligen Landeslisten ihrer Parteien jeweils mit Platz vier jedoch sehr weit vorne platziert und ziehen deshalb aller Voraussicht nach ebenfalls in den Bundestag ein. Die Stadt Tübingen wurde ganz am Ende ausgezählt - und da wurde es nochmal richtig spannend. Erwartungsgemäß erhielt Kühn dort mit Abstand die meisten Stimmen, dort wählten ihn insgesamt 40,96 Prozent der Wähler. Er machte damit 12,27 Prozentpunkte im Vergleich zur Bundestagswahl 2017 gut, während Widmann-Mauz 7,59 Prozentpunkte verlor.
Im traditionell konservativen Gebiet um Rottenburg herum gewann Widmann-Mauz dagegen erwartungsgemäß mit großem Abstand zu den anderen Kandidaten. In Hirrlingen beispielsweise holte sie 38,55 Prozent der Erststimmen, auf Platz zwei landete Kühn mit 15,12 Prozent. Doch auch dieser auf den ersten Blick glorreiche Sieg hat einen bitteren Nebengeschmack: 2017 hatte Widmann-Mauz in der selben Gemeinde noch fast zehn Prozent mehr Erststimmen erhalten, als in diesem Jahr.
Ähnliches Bild in Nehren: Dort schnitten die Sozialdemokraten in diesem Jahr stark ab: Rosemann gewann ganz knapp die Mehrheit bei den Erststimmen, auch bei den Zweitstimmen landete die SPD auf Platz 1. Widmann-Mauz und die CDU büßten bei Erst- wie Zweitstimmen im Vergleich zu 2017 rund zehn Prozentpunkte ein. Bittere Pille für die Christdemokraten auch in Kirchentellinsfurt: Dort wurden sie im Vergleich zu 2017 bei Erst- wie Zweitstimmen von den Grünen überholt.
AfD-Kandidat Ingo Reetzke punktete vor allem in einigen Gemeinden im Zollernalbkreis, die ebenfalls zum Wahlkreis Tübingen gehören: In Grosselfingen erhielt er 16,81 Prozent der Erststimmen, in Rangendingen 12,42 Prozent. Er hat jedoch keine Chance auf ein Mandat, da er auf keinem Listenplatz seiner Partei steht.
Sie sind Gewinner und Verlierer zugleich an diesem Abend: Die Christdemokraten haben mit 9,2 Prozentpunkten Unterschied zu 2017 die meisten Zweitstimmen eingebüßt. Gefolgt von der Linken, die 4,3 Prozentpunkte verloren hat. Apropos Linke: Kandidatin Heike Hänsel muss noch um ihren Einzug in den Bundestag bangen. Sie steht auf Listenplatz fünf, zieht allerdings nur ins Parlament ein, wenn ihre Partei bundesweit überhaupt die Fünfprozenthürde knackt. Ebenfalls noch bibbern muss FDP-Kandidat Julian Grünke. Er steht auf Platz 18 der FDP-Landesliste, sein Einzug in den Bundestag hängt vom Zugewinn seiner Partei auf Bundesebene ab.
Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis Tübingen liegt bei 80,9 Prozent. 2017 lag sie bei 81,3 Prozent. (GEA)