TÜBINGEN-BÜHL/REUTLINGEN. An der schnöden Eingangstür aus den späten 1960er-Jahren hängt ein schlichter Zettel in Plastikfolie verpackt: Vien Quang Pagode steht da ganz bescheiden. Weniger zurückhaltend ist die Dachgestaltung ausgefallen. Das Dach der Pagode mit den typisch geschwungenen Formen ist überall mit asiatischen Ornamenten und im Zentrum mit einem großen Rad geschmückt: »Die sind aus Beton geformt und tonnenschwer«, weiß der Tübinger Architekt Armin Junger.
Zehn Jahre lang hat der vietnamesisch-buddhistische Verein Reutlingen-Tübingen nach einem geeigneten Gebäude gesucht und wurde schließlich in Bühl fündig. Seit etwa 2016 läuft die Planung, aber erst im letzten Jahr hat der Umbau des alten Profanbaus der früheren Berufsschule begonnen. Vor einigen Wochen haben die Arbeiten am dreigeschossigen Gebäude richtig Fahrt aufgenommen. Im Knollweg von Bühl entsteht nichts geringeres als das erste und einzige vietnamesisch-buddhistische Zentrum in Württemberg. Auf mehr als 800 Quadratmetern wird es am Ende der Bauzeit einen großen Gebets- und Andachtsaal, Räume für die Nonnen, Gemeinschaftsräume, eine Küche und eine Bibliothek geben.
Bauherrin ist die vietnamesisch-buddhistische Gemeinde Reutlingen-Tübingen. Sie hatte das Gebäude, das einmal Teil der früheren Berufsschule in Bühl war, vor einiger Zeit gekauft und den Tübinger Architekten Armin Junger mit dem Umbau beauftragt. »Eine große Herausforderung war das imposante Dach mit seinen typisch geschwungenen Formen und den großen asiatischen Ornamenten«, erklärt Architekt Junger. Das alte Dach wurde abgetragen und die Zimmerleute errichteten eine mehrstufige Holzkonstruktion.
Bevor die fertig war, schwebte eine fast vier Meter hohe Buddha-Statue an Seilen befestigt in den Raum, der einmal der große Gebets- und Andachtssaal werden soll. Noch ist die imposante Statue aus Glasfaser und Kunststoff in Plastikfolie und eine große Kiste eingepackt. Doch wenn der geistliche Betrieb im buddhistischen Zentrum einmal startet, wird sie im Mittelpunkt des großen Raumes mit dem offenen Giebel aus Holz stehen. Auch die mehrere hundert Kilo schwere Glocke ist schon eingetroffen. Sie ist ebenfalls noch eingepackt. Die Hausherrin, Frau Thi Huong Van, weiß schon genau, wo die große Glocke einmal ihren Platz finden wird: »Die kommt dort hin«, sie deutet in die rechte Hälfte des Raumes. Die Glocke wird nicht nach oben an die Decke gehängt, sondern findet Platz in einer Art Tragegestell. So kann sie einfacher geschlagen werden, meint Frau Thi Houng Van, die als erste Nonne und Äbtissin bereits in das künftige Kloster eingezogen ist. Ihr geistlicher Name ist Thich Hanh Trang.
Einen kleinen Eindruck davon, wie farbenfroh der Altarraum im großen Andachtssaal unter dem Pagodendach einmal aussehen soll, bietet der kleinere Gebetsraum ein Stockwerk tiefer. Hier sind Buddha und andere Statuen nur einen knappen Meter groß. Beten und Andacht gehen halt auch am kleinerem Altar, meint die Äbtissin lächelnd. Obwohl das Haus noch eine große Baustelle ist, scheint sie sich hier schon zu Hause zu fühlen. Strom, Wasser, Gas und die Küche funktionieren bereits.
Gerade ist sie mit einer Freundin dabei, die Vorbereitungen für das buddhistische Neujahrsfest am Dienstag, 1. Februar, vorzubereiten. Sie freut sich auf die Feierlichkeiten: »Alle sind herzlich eingeladen mit uns das Neujahrsfest zu feiern«, sagt sie. Es wird unter anderem Bananen in Bananenblättern eingewickelt geben - mit Reis natürlich. Aber auch noch viele andere leckere Gerichte, versichert Bühls erste buddhistische Nonne.
Tich Hanh Trang lässt keine Zweifel aufkommen: Nicht nur zum Neujahrsfest sind alle eingeladen, auch an anderen Tagen. Das Kloster soll eine offene Begegnungsstätte werden. Alle, die sich für den Buddhismus interessieren, sollen zu ihr finden.
»Im Sommer, wenn alles gut läuft, soll das buddhistische Zentrum fertig sein«, sagt nicht nur die Äbtissin, sondern auch Architekt Armin Junger, der mit dem Bau der Pagode so etwas wie Pionierarbeit geleistet hat: »Schließlich ist das die erste buddhistische Pagode ihrer Art in Württemberg«, weiß er. Für ihn und die Handwerksbetriebe war das dach mit seinen vielen Winkeln, Schwüngen und Schmuckelementen eine Herausforderung. Sowas hätte niemand von ihnen jemals zuvor gemacht. »Das Dach wurde vorher am Computer konstruiert und im Modell in der Werkstatt gebaut, bevor es dann vor Ort an die Arbeit ging«, berichtet Armin Junger.
Äbtissin Tich Hanh Trang sagt: »Mir gefällt das alles sehr. Die Mitarbeiter der Firma haben mit viel Herz daran gearbeitet«, das habe sie gemerkt. Sie kann das Pagodendach jederzeit aus der Nähe betrachten. Dazu braucht sie nur auf das Baugerüst nach oben steigen. Das Gerüst dürfte auch noch einige Zeit bleiben. Die alte Aussenfassade wartet noch auf ihren Anstrich und unter anderem bekommt das Treppenhaus noch neue Fenster.
Im Wohnbereich gibt es bereits fertiggestellte Zimmer. Hier sollen künftig weitere Nonnen und Mönche wohnen. Die Gemeinschaftsküche für die Ordensgemeinschaft ist bereits eingerichtet und fuktioniert. Der große Speisesaal im Untergeschoss ist allerdings noch Baustelle, die geplante Küche hier noch ein Provisorium.
Daran, dass das neue buddhistische Zentrum auch von den Menschen in Bühl und darüber hinaus angenommen wird haben beide keinen Zweifel. Bisher seien nur positive Signale und Rückmeldungen gekommen. Das sei bei Kontakten beispielsweise mit dem Ortsvorsteher von Bühl und der Nachbarschaft deutlich geworden. Ablehnung, Ausgrenzung oder Kritik am neuen buddhistischen Kloster in Bühl habe es bislang nicht gegeben. (GEA)