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Vogel verhindert Neubau der Tübinger Uniklinik: Muss Wald gerodet werden?

Der Ziegenmelker steht auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Ein in Tübingen gesichtetes Exemplar verhindert derzeit einen Neubau der Uniklinik. Foto: Grzegorz/Adobe Stock
Der Ziegenmelker steht auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Ein in Tübingen gesichtetes Exemplar verhindert derzeit einen Neubau der Uniklinik.
Foto: Grzegorz/Adobe Stock

TÜBINGEN. Das Uniklinikum Tübingen muss dringend erweitert werden. Land, Universität und Klinikum planen hier in den kommenden zehn Jahren Investitionen in Forschung, Lehre und Patientenversorgung von über einer halben Milliarde Euro. Derzeit ist das Bauvorhaben ins Stocken geraten, da auf den Dächern des Klinikums und des angrenzenden Campus Morgenstelle ein Exemplar eines sehr seltenen und deswegen streng geschützten Vogels in den vergangenen Jahren gesichtet wurde: der Ziegenmelker.

Oberbürgermeister Boris Palmer wehrte sich in einem Schreiben an Ministerpräsident Manfred Kretschmann gegen ein Naturschutzkonzept, das vorsieht, auf zehn Hektar Wald in der Nähe der Kliniken zu roden, um Brutmöglichkeiten für den Vogel zu schaffen, wie es in einer Pressemitteilung der Stadtverwaltung heißt. Die Offenlandart steht auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Auf dem Steinenberg wurde der Vogel allerdings seit 2023 nicht mehr gesichtet. Eine Rodung müsste nach Landeswaldgesetz auf einer anderen Fläche ausgeglichen werden. Alles in allem ein unverhältnismäßiger Aufwand, so Palmer. Zumal es keineswegs sicher sei, dass sich der Ziegenmelker wieder ansiedle.

Das Staatsministerium hat nun Unterstützung zugesichert. Kretschmann habe die betroffenen Ministerien gebeten, zeitnah auf alle Beteiligten zuzugehen. Ziel sei ein gemeinsames Vorgehen, das dem Arten- und Forstschutz Rechnung trägt, aber einen umsetzbaren Weg für den Klinikausbau ermöglicht. 

In dieser Woche hatte sich Palmer bereits in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz über die Bürokratie-Posse aufgeregt, die ihn in den »Wahnsinn« treibe. Ein Patient, ein ausgewiesener Vogel-Experte hatte ein extrem seltenes und deswegen streng geschütztes Exemplar eines Ziegenmelkers zwitschern gehört hat, erzählte der Oberbürgermeister.  Weil er seit 2023 aber nicht mehr aufgetaucht sei, vermutet Palmer, dass er »wahrscheinlich längst tot« ist. Problem gelöst? Nein, denn das Klinik-Gebiet ist laut Palmer nun »Ziegenmelker-Erwartungsland«, was heißt: Man muss so tun, als wäre er noch da. »Ich würde gerne Verantwortung übernehmen, aber dann würde ich ins Gefängnis kommen«. Palmer äußerte in der Show einen Vorschlag, wie so ein Naturschutz-Dilemma künftig verhindert werden könne: »Begründete Abweichungskompetenz. Lasst die Leute auf der untersten Ebene mehr Verantwortung übernehmen.« Bei der Lösung des Kinderbetreuungsproblems habe sich das bereits bewährt. »Wenn die Stadt ein gutes Konzept vorliegt, darf sie in jedem Punkt vom Gesetz abweichen.« (pm/GEA)