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Umsetzung einer Impfpflicht: Tübingens OB Palmer sagt Scholz, wie es geht

Tübingens Rathauschef hat einen Brief an Kanzler Olaf Scholz geschrieben. Er schlägt vor, die Einwohnermelderegister heranzuziehen als Basis des Vorgehens.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne)
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) nimmt an einer Gemeinderatssitzung teil. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild
Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) nimmt an einer Gemeinderatssitzung teil. Foto: Tom Weller/dpa/Archivbild
TÜBINGEN. Vor der Bundestagsdebatte zur Impfpflicht am kommenden Mittwoch, 26. Januar, hat Oberbürgermeister Boris Palmer einen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz geschrieben. Darin schlägt er ein Verfahren vor, wie Kommunen die Impfpflicht schnell und einfach umsetzen könnten.

»Jede Kommune in Deutschland verfügt über ein Einwohner-Melderegister. In der Regel liegt dieses elektronisch vor. Die Stadtverwaltung Tübingen wäre jederzeit in der Lage, innerhalb einer Woche allen Einwohnern schriftliche Informationen zur Impfpflicht verbunden mit der Aufforderung zur Übermittlung eines Impfnachweises zuzustellen. Notwendig wäre dafür nur eine entsprechende Ermächtigung im Gesetz über die Einführung einer Impfpflicht gegen das Coronavirus«, sagt Palmer.

Den erforderlichen Nachweis über die Impfung gegenüber den Kommunen könne man mithilfe der Corona-Warn-App und des digitalen Impfzertifikates sehr schlank ausgestalten." So, wie es Scholz in der jüngsten Parlamentsbefragung gesagt hatte. Schriftliche Nachweise durch Kopien per Post sollten weiter möglich sein. Erstaunlicherweise werde die öffentliche Debatte bislang so geführt, als sei Deutschland dazu gar nicht in der Lage, wundert sich Palmer. Daher möchte er mit "sachdienlichen Hinweisen aus der Praxis zur Umsetzung einer Impfpflicht zur Seite stehen".

Pragmatisches Handeln

Tübingen habe in der Pandemie durch pragmatisches Handeln immer wieder bewiesen, wie schnell und einfach etwas umgesetzt werden kann, wenn man allfällige Bedenken angesichts dringender Aufgaben zurückstelle. In Tübingen seien die kostenfreien Bürgertests eingeführt worden, ältere Bürger hätten kostenlose FFP2-Masken bekommen zwei Monate früher als die entsprechenden Gutscheine vom Bund. Als erste Stadt habe man auch das Prinzip des Freitestens für Einkaufen, Gastronomie und Kultur eingeführt. All diese Initiativen hätten von der Idee bis zur Umsetzung keine vier Wochen benötigt, was man auch bei der Impfpflicht hinbekommen könnte.

Wer in der bei Einführung der Impfpflicht entstehenden Datei zu einem Stichtag fehlt, würde nach einer angemessenen Frist von etwa vier Wochen einen Anhörungsbogen der jeweiligen Bußgeldstelle erhalten. Wer sich der Impfpflicht daraufhin entzieht, müsste mit einem gewöhnlichen Bußgeldverfahren rechnen. Der Bundestag müsste den Rahmen des Bußgeldes und weitere Sanktionen im Falle fortgesetzter Zuwiderhandlung im Gesetz regeln.

Register nicht notwendig

Nach Palmers Überzeugung kann jede Kommune in Deutschland in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Landkreisen ein solches Verfahren zuverlässig und schnell bewältigen. Die notwendige Personal- und Technikausstattung sei in der Regel vorhanden. Sehr kleine Kommunen könnten beim schriftlichen Verfahren bleiben.

Eine Nutzung der Einwohnermelderegister und der kommunalen Bußgeldstellen hätte den Vorteil, dass kein nationales Impfregister aufgebaut werden müsste, was sehr viel Zeit erfordern würde. Die Erfassungsquote mittels kommunaler Einwohnermelderegister sei aber auch sehr hoch.

Mit Einführung der Impfpflicht soll nach Meinung Palmers die Kontaktverfolgung eingestellt werden. Deren Effizienz sei gering. Die frei werdenden Personalressourcen bei den Gesundheitsämtern könnten dann eingesetzt werden, um die Echtheit von Impfnachweisen zu klären, Atteste zu prüfen und Zweifelsfälle im Bußgeldverfahren zu bearbeiten.

»Wer etwas nicht will, sucht ein Problem. Wer etwas will, findet Lösungen«, gibt Palmer dem Bundeskanzler mit auf den Weg. »Es wäre doch ein Armutszeugnis für unser Land, wenn wir wirklich davon ausgehen müssten, solche vergleichsweise einfachen Aufgaben nicht bewältigen zu können, während Rumänien ein Impfregister hat und Österreich oder Italien die Impfpflicht schon im Februar einführen.« (pm)