TÜBINGEN. Von Oktober bis März sorgt das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV, jedes Jahr für viele Atemwegsinfekte. Besonders Babys im ersten Lebensjahr können von schweren Infektionen mit Entzündungen der Atemwege betroffen sein. Um diese zu vermeiden, können Neugeborene vor der Entlassung aus der Tübinger Uni-Frauenklinik ab sofort mit einem Passiv-Impfstoff geschützt werden. Auch Kinder bis zu einem Jahr, die stationär in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin behandelt werden, können geimpft werden. Der Impfstoff muss während der Wintersaison nur einmal verabreicht werden. Ein Impfschutz besteht sofort.
Medikamente gibt es nicht
Das RS-Virus ist ein typischer Erreger von Atemwegsinfektionen. Innerhalb des ersten Lebensjahres haben 50 bis 70 Prozent der Kinder mindestens eine RSV-Infektion durchgemacht, bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder. Bei Kindern unter zwei Jahren können neben Symptomen wie Husten, Schnupfen und Fieber auch schwere Entzündungen der unteren Atemwege auftreten. Europaweite Zahlen zeigen, dass ein bis zwei von 100 Neugeborenen deshalb im ersten Lebensjahr stationär behandelt werden müssen, teilweise auch auf einer Intensivstation. In Deutschland sind es etwa 25.000 Kleinkinder pro Saison.
Bei schweren Entzündungen der unteren Atemwege ist häufig eine Sauerstoff-Therapie notwendig. Eine medikamentöse Therapie, die den Krankheitsverlauf verkürzen würde, gibt es nicht. In der vergangenen Wintersaison mussten 112 Kinder mit RSV-Infektionen in der Tübinger Klinik für Kinder- und Jugendmedizin für mehrere Tage stationär behandelt werden.
Einfache Hygienemaßnahmen wie Abstand zu halten und Hände desinfizieren, können Infektionen zwar reduzieren. Besonders in Familien mit kleinen Kindern ist dies aber nur bedingt möglich. Schützen kann stattdessen die RSV-Immunisierung mit dem Impfstoff Nirsevimab (Handelsname Beyfortus), die seit 2023 für Neugeborene und Kinder in den ersten zwei Lebensjahren zugelassen ist. In anderen Ländern wie den USA und Spanien wurde Nirsevimab bereits in der vergangenen Wintersaison flächendeckend eingeführt.
Die Daten zeigen, dass bis zu 80 Prozent aller stationären Behandlungen aufgrund von RSV-Infektionen bei Säuglingen im ersten Lebensjahr verhindert werden können. Aufgrund der überzeugenden Ergebnisse hat sich auch die Ständige Impfkommission im Juni dieses Jahres dazu entschieden, auch für Deutschland eine allgemeine Impfempfehlung für alle Neugeborenen und Säuglinge im ersten Lebensjahr auszusprechen. Diese Impfung sollte frühzeitig, möglichst noch vor Entlassung aus der Geburtsklinik, durchgeführt werden.
Der Impfstoff ist ein sogenannter Passivimpfstoff, bei dem Antikörper gegen das Virus in den Muskel gespritzt werden, sodass direkt voller Impfschutz besteht. »Aus den Zulassungsstudien ist bekannt, dass der Impfstoff sehr gut vertragen wird. In weniger als ein Prozent der Fälle kommt es zu Rötungen oder Schwellungen, gelegentlich tritt Fieber auf«, erklärt Kinderarzt Martin Heideking. Die Kosten für den Impfstoff werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. (eg)