TÜBINGEN. Tübingens OB Boris Palmer hat sich nach der tödlichen Messerattacke von Illerkirchberg bei Ulm, bei der ein 14-jähriges Mädchen ums Leben gekommen ist, in die Diskussion eingeschaltet. Auf Facebook schreibt er, wie die Bluttat zu werten sei und welche Konsequenzen aus ihr zu ziehen wären.
In seinem mehr als 100 Zeilen langen Text zitiert er nicht nur den Philosophen Emanuel Kant, sondern auch aus seinem eigenen Buch, dessen Titel jetzt gleichzeitig seinen Facebook-Auftritt ziert.
Er beginnt mit dem Satz: »Der Tod einer 14jährigen ist so schrecklich, dass Trauer und Mitgefühl richtig ist.« Gleich danach warnt er vor reflexartigen Reaktionen, wie aus der AfD, die von »Messermördern unter dem Schutz des Asylrechts« sprechen. Sehr wohl sei aber die Herkunft der Täter nach solchen Schwerverbrechen relevant. Dafür zitiert er den deutschen Philosophen Emanuel Kant (1724 bis 1804): »Im dritten Definitiv-Artikel beschreibt er ein Gastrecht, das jeder Mensch überall auf der Welt beanspruchen könne, weil die Oberfläche der Welt begrenzt sei und wir sie uns teilen müssen. Allerdings sei dies Gastrecht daran geknüpft, dass der Gast sich friedlich, also gesetzestreu verhalte.«
Palmer zitiert Kant
In seinen weiteren Ausführungen geht Palmer auf andere tödliche Angriffe von Asylbewerbern ein, wie beispielsweise in Würzburg, in Freiburg oder der Mord von Reutlingen, bei dem im Sommer 2016 ein 22-jähriger Asylbewerber aus Syrien eine 45-jährige Frau mit einem Dönermesser getötet hatte.
Mit Blick auf das Gastrecht, wie es Kant formuliert habe, hätten Schwerverbrecher dieses Recht verloren. Boris Palmer: »Selbstverständlich muss jeder Mörder unabhängig von seiner Herkunft oder seinem Status hart bestraft werden. Das kann nach unserem geltenden Recht auch bedeuten, ihn aus unserer Gemeinschaft auszuschließen und nach Verbüßung der Strafe, in der Regel nach der Hälfte, in sein Herkunftsland abgeschoben zu werden. Für einen Mörder gilt der Satz, Verbrecher haben ihr Gastrecht verwirkt.« Deshalb sollten verurteilte Schwerverbrecher ausgewiesen werden, unter bestimmten Umständen auch in Herkunftsländer wie Afghanistan oder Syrien. Palmer schreibt dazu: »Es gibt auch in Syrien Gebiete, die nicht im Krieg sind.« Und weiter: »Die Abschiebung eines unschuldigen Asylbewerbers aus Syrien würde auch ich als unmenschlich bezeichnen. Sie wäre überdies rechtswidrig, denn Asylbewerber aus Syrien erhalten bei uns fast ausnahmslos einen Schutzstatus, dürfen also legal im Land bleiben. Für Gewalttäter und Mörder gelten aber andere Maßstäbe.«
Mörder und Gewälttäter anders betrachten als die Mehrheit der Asylbewerber
Auch die Genfer Flüchtlingskonvention, die Abschiebung in für Menschen bedrohliche Gebiete ausschließe, sehe für verurteilte Mörder etwas anderes vor, so Palmer. Er schreibt: »Das bedeutet also, dass sogar die Genfer Flüchtlingskonvention im Sinne Kants davon ausgeht, dass ein Gastrecht durch schwere Straftaten verwirkt wird. Sie regelt sogar ausdrücklich, dass ein Verbrecher auch dann zurückgewiesen, also abgeschoben werden kann, wenn dies eine Gefahr für sein Leben oder seine Freiheit bedeuten würde. (...) Die Genfer Flüchtlingskonvention stärkt mit dem vorbehaltlosen Zurückweisungsrecht für Verbrecher das Gewaltmonopol des Staates.« Der Staat müsse sich überlegen, wie er die Menschen vor solchen Einzeltätern besser schützen könne und wie mit ihnen umgegangen werde. Alles müsse genau analysiert werden.
Palmer warnte aber gleichzeitig: »Alle über einen Kamm zu scheren, ist immer falsch. Es ist nur eine sehr kleine Minderheit unter den Asylbewerbern, die zur Gewalt greift. Ein Generalverdacht gegen Asylbewerber oder gar alle Ausländer ist unmenschlich und zerstört die Fundamente einer pluralistischen Gesellschaft. Trotzdem ist es vernünftig, Gewalt von Asylbewerbern besonders zu beobachten, nach ihren Ursachen zu forschen und spezifische Gegenmaßnahmen von der Prävention bis zur Strafverfolgung zu ergreifen.«
In den Kommentarspalten bekommt Palmer viel Zustimmung, muss aber auch Kritik einstecken. So kritisiert Sybille Mattfeldt-Kloth: »Kaum ist die Wahl zum Oberbürgermeister gewonnen, wird schon wieder im Trüben gefischt. Ein «Gastrecht» mit dem Rechtsanspruch auf Asyl vermengt und alles wohlfeil dargereicht. Das nützt niemand und schon gar nicht den zu bedauernden Opfern von Gewalttaten und ihren Angehörigen.« Darauf Palmer: »Keine Argumente und nur haltlose Vorwürfe. Eher bedauerlich.«
Bei anderen Kommentaren ist er rigoros: »Sie sind ungeeignet für dieses Land. Bitte auswandern.« Aussagen, wonach das Asylrecht abgeschafft gehöre, kontert er mit einem schlichten: »rechtsradikal und verfassungsfeindlich«. (GEA)