STUTTGART. Der Inzidenzwert könnte bereits ab Mitte September keine wesentliche Rolle mehr in den Corona-Verordnungen spielen. Nach Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) setzen sich auch die Landkreise für ein Ende des Werts als wesentlicher Maßstab in der Corona-Politik ein. Stattdessen müsse stärker beachtet werden, wie sehr die Krankenhäuser durch Corona-Patienten belastet seien, sagte der Präsident des baden-württembergischen Landkreistags, der Tübinger Landrat Joachim Walter, am Donnerstag. Durch die hohe Zahl der zweifach geimpften Menschen habe der Inzidenzwert als Hauptindikator für Corona-Maßnahmen ausgedient.
Es gehe nun vor allem darum, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. »Die Corona-Maßnahmen sind daher von der Krankenhausauslastung abhängig zu machen«, sagte Walter. Auch ein landesweiter Wert könne auf diesem Weg berechnet werden, weil die Kliniken miteinander vernetzt seien. »Damit können auch die von Kreis zu Kreis unterschiedlichen Corona-Regelungen entfallen«, sagte der Landrat.
Zuvor hatte Lucha bereits angekündigt, bei der Neubewertung der Inzidenz bundesweit voranzugehen und die Bedeutung der Zahl der Neuinfektionen herabzustufen. »Natürlich spielt die Inzidenz als Informationsquelle für das Infektionsgeschehen nach wie vor eine Rolle«, sagte er den »Stuttgarter Nachrichten« und der »Stuttgarter Zeitung« (Donnerstag). Als Richtwert für die Auslösung von Beschränkungen werde er ab Mitte September aber wohl nicht mehr in den Corona-Verordnungen auftauchen.
Es brauche einen Paradigmenwechsel, wenn vom 15. September an alle im Land ein Impfangebot erhalten hätten. Dann könne es keine Beschränkung der Freiheitsrechte von Doppeltgeimpften mehr geben. Selbstverständlich werde das Land die Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz am 10. August abwarten und einbeziehen, sagte Lucha.
Die Rolle des Inzidenzwerts wird schon länger politisch diskutiert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte in den vergangenen Wochen immer wieder betont, dass der Inzidenzwert im Kampf gegen die Pandemie eine zentrale Größe bleiben werde, auch wenn man sich nun auch auf andere Kriterien stützen werde.
Die Sieben-Tage-Inzidenz gibt die Zahl der registrierten Corona-Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche an. Nach einem leichten Rückgang hatte sie zuletzt im Südwesten wieder leicht zugenommen. Sie lag am Mittwoch bei 14,8, wie das Landesgesundheitsamt in Stuttgart mitteilte. Keiner der 44 Stadt- und Landkreise liegt über der politisch relevanten Inzidenz-Marke von 35. Mannheim kam zuletzt aber auf 33,8, Heilbronn auf 32,4. (dpa)