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Tübinger Forscher entdecken neue Krankheit

Forschende aus Tübingen konnten mit Exom- und Genomsequenzierungen eine neue Genveränderung nachweisen, die schwere neurologische Symptome auslöst.

TÜBINGEN. Mithilfe von Exom- und Genomsequenzierungen haben Forschende des Universitätsklinikums Tübingen die genetischen Ursachen einer seltenen Erkrankung aufgeklärt, die schon im Säuglingsalter zu schweren neurologischen Beeinträchtigungen führt. Durch die nachgewiesenen Genveränderungen kommt es zu einer fehlerhaften Synthese von Selenoproteinen im gesamten Körper. Diese sind essenziell für die Zellfunktion, insbesondere im Nervensystem. Die Erstbeschreibung der neuen Erkrankung aus der Gruppe der Selenopathien ermöglicht es, weitere Betroffene zu diagnostizieren. Das verbesserte Verständnis der Erkrankung ist die Grundlage für künftige Forschung und für eine Therapieentwicklung.

Entwicklungsverzögerung, Spastik, Ataxie oder komplexe epileptische Anfälle: Wenn ein Kind solche Symptome zeigt, möchten Eltern die Ursache für diese schweren neurologischen Beeinträchtigungen möglichst schnell erfahren. Allerdings kann bei mehr als der Hälfte der Betroffenen keine genetische Diagnose gestellt werden. Zum einen, weil technische Möglichkeiten die Aussagekraft von genetischen Tests einschränken. Zum anderen, weil für viele Krankheitsbilder die verantwortlichen Krankheitsgene noch unbekannt sind.

Mithilfe von Exom- und Genomsequenzierungen haben Forschende des Universitätsklinikums Tübingen in einer internationalen Zusammenarbeit jetzt den Zusammenhang zwischen DNA-Veränderungen und Krankheitssymptomen bei neun Patienten aufgedeckt, die schon seit dem Säuglingsalter die Erkrankung haben. »Bei den Patientinnen und Patienten konnten wir krankheitsverursachende DNA-Varianten im EEFSEC-Gen nachweisen. Dieses Gen ist bislang beim Menschen noch nicht mit einer Erkrankung in Verbindung gebracht worden«, erklärt PD Dr. Tobias Haack, stellvertretender Ärztlicher Direktor des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik.

Diagnostische Odyssee

Durch die Veränderung kommt es zu einer fehlerhaften Synthese der Selenoproteine im gesamten Körper. Diese sind essenziell für die Zellfunktion, insbesondere im Nervensystem. Selenoproteine spielen aber auch für den Hormonhaushalt der Schilddrüse eine wichtige Rolle; oder für die Reduktion oxidativen Stresses. Von dem fehlerhaft produzierten Protein leitet sich der Name der neuen Krankheit ab: EEFSEC-Defizienz, eine Selenopathie. Diese zeigt sich oft von Geburt an, beispielsweise durch einen kleineren Kopfumfang, Entwicklungsverzögerungen sowie einen Mangel an Muskelspannung. Einige Betroffene erreichen keine grundlegenden motorischen oder sprachlichen Fähigkeiten.

Eine Diagnose, das heißt einen Namen für die bisher noch unbekannte Erkrankung zu finden, bedeutet für die meisten Familien und ihre Kinder eine Erleichterung. Viele von ihnen haben eine jahrelange diagnostische Odyssee hinter sich, ohne eine Antwort auf die Frage zu erhalten, was ihr Kind hat. Durch eine Diagnose gibt es nun Hoffnung, langfristig an einer Therapie zu forschen. Doch hierfür müssen mehr Patienten mit dieser Erkrankung diagnostiziert und untersucht werden. Im nächsten Schritt werden die Forschenden Biomarker und Diagnosetests entwickeln, die Kliniken weltweit anwenden können, um Patienten zu testen. »Je größer der Datensatz ist, desto besser können wir diese Selenopathie erforschen«, erklärt die Wissenschaftlerin Dr. Lucia Laugwitz, die die Patienten mit Selenopathie in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin betreut. (eg)

 

Die Uniklinik Tübingen auf einem Übersichtsplan.
Die Uniklinik Tübingen auf einem Übersichtsplan. Foto: Franziska Kraufmann/dpa
Die Uniklinik Tübingen auf einem Übersichtsplan.
Foto: Franziska Kraufmann/dpa