TÜBINGEN. Die Psychologin Heidrun Overberg aus Gomaringen hat nach dem Missbrauchsprozess um eine Familie und ihre beiden Pflegetöchter aus dem Steinlachtal mehrere Anzeigen bei der Kriminalpolizei eingereicht. Das hat sie dem GEA bestätigt. Zu den Angezeigten gehören neben Landrat Joachim Walter auch der Leiter des Kreisjugendamtes, Bernd Hillebrand, die frühere Sozialdezernentin Ulrike Dimmler-Trumpp und die Pflegemutter. Die Pflegemutter hat sie nach eigenen Angaben wegen schwerer Misshandlung der beiden Pflegetöchter angezeigt und die anderen wegen verschiedener Punkte, die - so Heidrun Overberg - »skandalöses Fehlverhalten« beinhalten.
So prangerte sie im Gespräch mit dem GEA an, dass sie bereits 2010 im Auftrag des Jugendamtes ein psychologisches Gutachten zu einer der beiden Pflegetöchter erstellt habe, dies sei ihr aber zurückgeschickt und offenbar im Amt nicht gelesen worden. »Das Jugendamt hat in diesem Missbrauch viel zu spät reagiert. Die Pflegetochter, zu der ich das Gutachten erstellt habe, hat so unnötig schweren Schaden genommen. Ihr psychischer Zustand ist bis heute sehr schlecht«, erklärte Heidrun Overbeck. Das alles sei auch nach dem Missbrauchsprozess und der Verurteilung des Pflegevaters nicht vorbei. Die verantwortlichen Amtspersonen hätten jahrelang nicht darauf reagiert, was sie ihnen über die Pflegefamilie mitgeteilt habe.
Anfang März war der 65-jährige Familienvater vom Landgericht Tübingen zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte laut Urteil seine beiden Pflegetöchter zwischen 2011 und 2017 immer wieder sexuell missbraucht. Die beiden Opfer sind heute 20 und 22 Jahre alt. Während des Prozesses war Kritik am Vorgehen des Jugendamtes laut geworden. Auch das Gericht hatte kritisiert, dass es damals, als eines der Mädchen zum ersten Mal von dem den sexuellen Missbrauch berichtet habe, Wochen gedauert habe, bis das Amt die Polizei eingeschaltet habe. Die Behörde habe den Beschuldigten sogar über die Vorwürfe unterrichtet. So habe der Mann wichtiges Beweismaterial verschwinden lassen.
Für weiteres Aufsehen hatte der Prozess gesorgt, weil der Angeklagte zwischenzeitlich untergetaucht war und auch nach tagelanger Suche nicht auffindbar war.
Nach dem Urteil war Tübingens Landrat Joachim Walter mit einer schriftlichen Stellungahme an die Öffentlichkeit gegangen und hatte Fehler in seiner Behörde eingestanden. (GEA)