Meist sind die dunklen Seiten die interessanteren, sei dies bei Menschen oder in der Geschichte. Dass Weltreiche dunkle Seiten haben müssen, liegt in der Logik der Sache. Wo es Herrschaft und Macht gibt, sich die einen über die anderen erheben und diese als »Untertanen« definieren, ist die Korruption des Geistes, und die reale, eine Gefahr. Im Weltreich der Römer wurden zwar Gesetze geschmiedet, die mit Regeln möglichen Machtmissbrauch einschränken sollten und auch heute noch Vorbild sind. Doch die Realität sah häufig anders aus.
Der Historiker Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte an der Universität Oldenburg, hat nun die dunklen Seiten des Römerreichs beleuchtet in seinem höchst unterhaltsamen Buch »Dark Rome«. Das geht von Giftmorden bis zu Bettgeschichten, vom Philosophenkaiser Marc Aurel und seinem Opiumkonsum bis zu verborgenen Kulten, die im Reich gepflegt wurden und die der Autor nüchtern interpretiert: nicht unbedingt als religiöses Bedürfnis, sondern als etwas für jene, die in der römischen Hierarchie, bei der viel Wert auf Abstammung gelegt wurde, ausgeschlossen waren, die in der jeweiligen Religion aber je nach Engagement einen Status erreichen konnten.
Sommers Konzentration auf die dunklen Seiten macht sein Buch zu einer Sittengeschichte des Römischen Reiches. Eroberungen und Kriege, all das kommt eher sporadisch vor, wird aber als Zeittafel mitgeliefert. Der Blick ist aber eher auf die Menschen, vor allem auf die auch heute noch bekannten, gerichtet, also die Kaiser und ihre Familien, in denen oft genug das Unheil regierte. Die Gefahr, von einem eigenen Familienmitglied getötet zu werden, war durchaus eine reale. Sommers Buch zeigt auch, dass offiziell proklamierte Werte wie Sittenstrenge oft nur Fassade waren und dass ein alter Filmtitel letztendlich durchaus seine Berechtigung hatte: »Toll trieben es die alten Römer«. Wenn auch nicht alle. Aber manche sehr intensiv. Fast so wie manchmal heute noch, nicht nur in Italien. (GEA)