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Parteiinterne Unterstützung für Palmer - Gemeinderat will sich distanzieren

Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Fabian Sommer/dpa/Archivbild
Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Fabian Sommer/dpa/Archivbild

STUTTGART/TÜBINGEN. Nach umstrittenen Äußerungen über ältere Corona-Patienten will sich der Tübinger Gemeinderat in einem Antrag mehrerer Fraktionen von Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) distanzieren. Palmers Aussage lege nahe, das Leben älterer oder kränkerer Menschen sei weniger wert und weniger schützenswert als das junger Menschen, heißt es in der Erklärung, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Sie lasse jegliche Empathie und den allen Menschen gegenüber notwendigen Respekt vermissen. Seine Aussage sei falsch und politisch verantwortungslos.

Wie Martin Sökler, Fraktionsvorsitzender der SPD, am Dienstag mitteilte, soll in der Sitzung an diesem Donnerstag über den Antrag diskutiert und abgestimmt werden. Bis auf die Grünen haben alle Tübinger Gemeinderatsfraktionen die Erklärung unterzeichnet.

Palmer hatte Ende April in einem Fernsehinterview gesagt: »Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.« Er erklärte seine Aussage mit der Sorge um armutsbedrohte Kinder vor allem in Entwicklungsländern, deren Leben durch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bedroht sei. Palmer räumte aber nach heftiger Kritik ein, dass sein Satz Anlass zum Missverständnis gegeben habe. Das bedauere er. »Ich erwarte selbstverständlich, dass jeder Mensch die bestmögliche medizinische Versorgung erhält.«

Unmittelbare politische Konsequenzen hätte der Beschluss der Resolution für Palmer nicht. Bereits 2018 hatte eine Mehrheit des Gemeinderats eine solche gegen Palmer beschlossen. Damals hatte sich der Oberbürgermeister über einen wohl rüpelhaften Radfahrer geärgert und wegen dessen dunkler Hautfarbe auf einen Asylbewerber geschlossen.

Während sich die Stadträte von Palmer distanzieren wollen, haben ihn teils prominente Grünen-Mitglieder in Schutz genommen. In einem zum Wochenbeginn veröffentlichten Appell heißt es: »Die versammelten Vorstandsebenen sollten den Dialog mit ihm suchen und den ungrünen Stil der Maßregelung aufgeben.« Der Vorstand der Südwest-Grünen hatte Palmer nach einer Äußerung zur Corona-Pandemie aufgefordert, die Partei zu verlassen. Zudem hatten die Grünen-Spitzen im Bund, im Land und im Kreisverband Tübingen erklärt, ihn nicht mehr politisch unterstützen zu wollen.

Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die frühere Vizepräsidentin des Bundestags, Antje Vollmer, der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Martin Hahn und der Bürgermeister von Maselheim (Landkreis Biberach), Elmar Braun. Braun war 1991 der erste grüne Rathauschef Deutschlands. Mehrere Medien hatten zuvor über das Schreiben berichtet.

In dem Aufruf heißt es weiter: »Seit ihrer Gründung war unsere Partei ein Ort leidenschaftlicher Debatten, offener Auseinandersetzungen in der Sache, freier Rede und des Respekts vor Minderheitsmeinungen.« Das entspreche den grünen Prinzipien von Gewaltfreiheit und Basisdemokratie. »Boris Palmer gehört zum Urgestein der baden-württembergischen Grünen, er ist ein überzeugter Ökologe und ein manchmal rebellischer Freigeist.« Palmer sei nicht unbelehrbar, habe aber ernsthafte Gründe für seine Position genannt.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat im internen Streit der Grünen um den Umgang mit dem Palmer zur Mäßigung aufgerufen. »Ich würde jetzt mal raten, dass man etwas von den Bäumen runterkommt und etwas abrüstet«, sagte er am Dienstag. Kretschmann hatte schon vor einigen Tagen erklärt, Palmer habe sich mit seiner Wortwahl erheblich verrannt. Aber in einer Demokratie habe man zum Schluss nichts als Argumente, und die müsse man aushalten, bekräftigte er.  (dpa)