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Aktuell Ausschlussverfahren

Palmer-Anwalt: Grünen-Spitze macht sich »komplett unglaubwürdig«

Ausschlussverfahren gegen Tübingens OB Boris Palmer steckt nach fünf Monaten weiter in der Warteschleife.

Boris Palmer
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/archivbild
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/archivbild

STUTTGART/TÜBINGEN. Eigentlich sollte alles ganz schnell gehen: Schon einen Tag nachdem Tübingens OB Boris Palmer Anfang Mai in einem Facebook-Zwist zum N-Wort gegriffen hat, entzog Grünen-Chefin Annalena Baerbock dem Tübinger die Unterstützung der Partei. Auf dem Landesparteitag stimmte daraufhin eine Mehrheit dafür, wegen rassistischer Äußerungen ein Parteiausschlussverfahren gegen Palmer einzuleiten. Passiert ist seither allerdings nichts. Die Ankündigung des Landesverbands, nach fünf Monaten demnächst eine Begründung für das Ausschlussverfahren vorzulegen, hat nun Palmers Rechtsbeistand auf den Plan gerufen. Rezzo Schlauch, Ur-Grüner, Rechtsanwalt und ehemaliger Wirtschaftsstaatssekretär, wettert: »Der Landesverband macht sich komplett unglaubwürdig.«

Der Hinweis der Landes-Grünen auf umfangreiche Ermittlungen und Vorbereitungen imponiert Schlauch wenig. Für ihn ist das langsame Tempo rein taktischer Natur. »Es ist offenkundig, dass diese Verzögerung ausschließlich dazu dienen sollte, die Causa Boris Palmer aus dem von Mai bis September laufenden Bundestagswahlkampf herauszuhalten. Dass man ein Parteiausschlussverfahren wesentlich schneller einleiten kann, hat die Linke im Fall Sarah Wagenknecht gezeigt«, sagt Schlauch im Gespräch mit dem Reutlinger General-Anzeiger. Das Verfahren war kurz vor Beginn der heißen Phase beendet – erfolglos.

Aus Schlauchs Sicht argumentiert der Landesvorstand zudem unlogisch. Wenn ein Parteiausschluss voraussetze, dass der Betroffene der Partei »schweren Schaden« zufüge, dann sei Eile geboten. Denn der besagte schwere Schaden »würde ja durch einen weiteren Parteiverbleib perpetuiert«, so Palmers Rechtsanwalt in einer Mitteilung.

Schlauch vermutet, dass dem Landesvorstand klar war, dass ein laufendes Ausschlussverfahren während des Wahlkampfs den Grünen geschadet hätte. Schließlich »schmücken die sich ja gerne mit einem diskursfreudigen Profil«. Schlauchs Tipp: Die Landes-Grünen sollen das Verfahren fallen lassen, denn »sie haben, wie das aktuelle Wahlergebnis zeigt, nicht das Problem überzähliger Wähler und zu vieler erfolgreicher Oberbürgermeister«. Bei 17 Prozent Wählerstimmen und gerade mal drei OBs habe die Partei vielmehr »erheblichen Nachholbedarf«.

Landesvorstand entscheidet über Ausschlussverfahren

Der Zeitpunkt des Verfahrens ist auch deshalb brisant, weil der Tübinger Kreisverband demnächst darüber entscheidet, ob er für die OB-Wahl im nächsten Jahr einen parteiinternen Gegenkandidaten zu Palmer aufstellen wird. Wie und ob das Ausschlussverfahren weitergeht, hängt nun am Landesvorstand, der von dem Kölner Parteienrechtsspezialisten

Der Streit zwischen Boris Palmer und den Grünen

Der OB, Facebook und das N-Wort

Die inkriminierten Äußerungen tätigte Tübingens OB Boris Palmer im Zusammenhang mit verbalen Fouls der beiden Fußball-Ex-Nationalspieler Jens Lehmann und Dennis Aogo auf Facebook. Er selbst wollte den von ihm geposteten Satz: »Dennis (Aogo, die Redaktion) ist ein schlimmer Rassist. Hat Frauen seinen Negerschwanz angeboten« zunächst als »pädagogische Satire« verstanden wissen. Später räumte er ein, es wäre wohl besser gewesen, darauf ganz zu verzichten. Dem GEA gegenüber erklärte er damals, er habe sich von einem Studenten, mit dem er im Dauer-Clinch liege, zu der Äußerung provozieren lassen und verglich die verbale Auseinandersetzung mit einer Wirtshausschlägerei. (GEA)

Sebastian Roßner juristisch vertreten wird. Wirft das Schiedsgericht Palmer tatsächlich aus der Partei, kann dieser das Landgericht Tübingen als nächste Instanz anrufen.

Strafrechtlich hat Palmer von der N-Wort-Debatte jedenfalls nichts mehr zu befürchten. Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat Anfang September das Verfahren wegen des Verdachts auf Volksverhetzung eingestellt. Nach der Facebook-Debatte waren bei der Tübinger Staatsanwaltschaft drei Strafanzeigen wegen Volksverhetzung und Beleidigung eingegangen. Die Tübinger Staatsanwälte hatten Palmers beanstandete Facebook-Äußerungen allerdings als satirische Reaktion auf vorangegangene Äußerungen gewertet. (GEA)