TÜBINGEN. Jedes Jahr vor den närrischen Tagen ereignen sich merkwürdige Dinge im Tübinger Behördenviertel. Am Dienstag bewegte sich wieder der kleinste und kürzeste Fasnetsumzug der Region zwischen Landratsamt und Regierungspräsidium mit rund hundert Hästräger von verschiedenen Narrenzünften. Geladen hatte Präsident Klaus Tappeser, der sich als zupackender Hochwasser-Schützer kostümiert hatte. "Ich hab´ mir heut´, nicht ganz gepflogen, mal was Besonderes angezogen.
Bekleidung, mit der - wie ihr seht, man halt auch mal zum Angeln geht", beschrieb der Tübinger Behördenchef Klaus Tappeser in seiner Rede sein Kostüm. Er stelle jedoch keinen Angler dar, sondern nehme mit seinem Kostüm vielmehr Bezug auf das Thema Hochwasser, das vor allem Oberschwaben im letzten Jahr beschäftigt hatte: "Ich nenne heut´ an dieser Stelle, jetzt einen meiner Pflegefälle, die Schussen hielt mich sehr auf Trapp, verließ ihr Bett und haute ab."

Beim närrischen Empfang in der Behördenzentrale ging es um die Verleihung der Narrenkappe an den obersten Brauchtumsvertreter der Fasnet im Südwesten. Der 76-jährige Roland Wehre war 29 Jahre lang Präsident des ältesten, 1924 gegründeten Dachverbandes der historischen Narren – der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) mit 68 Mitgliedsvereinen. Zu seinen größten Verdiensten gehört der Kampf für »eine hohe Qualität« des Verbandes, was dazu geführt habe, dass die schwäbisch-alemannische Fastnacht 2014 in die nationale Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.
Er erinnerte daran, dass es vor 35 Jahren einer mutigen Entscheidung des damaligen (oberschwäbischen) Regierungspräsidenten Max Gögler bedurfte, die Freude der Fasnet in die närrische Diaspora nach Tübingen zu holen. Bis dato gab es in der Unistadt weder Hästräger, geschweige denn einen Umzug. Es sei »ein Quantensprung, eine Zeitenwende gewesen«, dass sich damals ein kleiner Zug mit Narren zum ersten Empfang ins RP aufgemacht hatte, um mit den Behörden einen Kulturaustausch zu veranstalten. »Man hielt uns zwar für Außerirdische«, aber diese Mission sei wichtig gewesen, denn sie lehrte den Tübingern »das Feiern, Lachen und Tanzen«.
Die Laudatio hielt Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Preisträgerin des Vorjahres. Wehrle dankte ihr, merkte jedoch mit dem Bibelvers »Rede nicht vor des Narren Ohren, denn er verachtet die Klugheit Deiner Rede« an, dass die Würdigung womöglich beim Publikum nicht angekommen sei. (GEA)