TÜBINGEN. Kleine Häuser, die nur einen minimalistischen Besitz zulassen, und obendrein noch bezahlbar sind – es gibt immer mehr Menschen, die sich genau das wünschen. In den USA und auch in Europa werden Tiny Houses – winzige Häuser mit einer Wohnfläche von 20 bis 80 Quadratmetern – immer beliebter. Der neue Tübinger Verein »Mut zur Lücke« hat die Idee, dass eben diese kleinen Häuser eine Lösung für Tübingens Baulücken sein könnten. Auch Oberbürgermeister Boris Palmer ist davon angetan.
Die rund 550 unbebauten Grundstücke in der Stadt – von denen laut Kataster 240 bebaut werden könnten – haben in der Unistadt in der Vergangenheit für viel Furore gesorgt. Das Ziel von OB Palmer ist, dass die Baulücken in Tübingen geschlossen werden, damit dort Wohnraum entstehen kann. Im vergangenen Jahr hatte der Oberbürgermeister die Eigentümer deshalb angeschrieben und um Stellungnahme gebeten, was sie mit den leeren Baugrundstücken planen, und drohte mit Bußgeldern.
Bei einer Präsentation am Freitagvormittag im Rathaus stellte der Verein seine Idee vor. »Wir sehen uns als Vermittler von Interessenten von Tiny Houses und Grundstücksbesitzern«, sagt Heinrich Kern vom Verein. Dabei ist es den Mitgliedern, die sich als Zusammenschluss von Gleichgesinnten sehen, auch wichtig, dass Tiny House Besitzer und Grundstückeigentümer zusammenpassen. Der Verein hofft, dass sich bei ihm bald Eigentümer melden, die sich vorstellen können, dass auf ihren ungenutzten Grundstücken ein oder zwei kleine Häuschen ansiedeln.
Ein klassisches Tiny House hat eine Wohnfläche von 20 bis 40 Quadratmetern, aber auch Modulhäuser mit einer Größe von 30 bis 80 Quadratmetern stehen auf der Agenda des Vereins. »Die Häuser werden in der Regel mit einem Tieflader angeliefert oder haben eigene Räder«, erklärt Moritz Wied vom Verein. Auf dem Grundstück selbst müsse nicht viel gemacht werden: Das Haus steht entweder auf seinen Rädern oder ist an einem Fundament festgeschraubt. Strom, Wasser und Abwasser müssen wie bei einem normalen Haus erschlossen werden.
Die Kosten für ein Tiny House starten bei 25 000 Euro, ein Modulhaus beginnt bei 50 000 Euro. »Bei den meisten Tiny Houses wird Holzständerbauweise genutzt. Man kann die Häuser auf den neusten Standard dämmen und dabei komplett auf erneuerbare Energien setzen«, sagt Wied.
Auch eine Siedlung ist denkbar
Das Konzept von »Mut zur Lücke« sieht vor, dass in kleinere Baulücken einzelne oder wenige Häuser entstehen können. Auch die Idee von einer Art Siedlung mit Modellcharakter für Tübingen schwirrt den Mitgliedern bereits durch den Kopf. »Denkbar wäre dabei auch ein Gemeinschaftshaus, in dem eine Waschküche oder eine Werkstatt untergebracht werden. Es muss ja nicht jeder alles besitzen«, findet Gisela Barth vom Verein
Für das moderne Wohnkonzept sieht der Verein Vorteile für die Grundstücksbesitzer und auch für die Stadt Tübingen. Die Besitzer können durch Pachtverträge Geld einnehmen, gleichzeitig wird ihr Grundstück gepflegt und reversibel zwischengenutzt. Die Stadt Tübingen könne sich mit einem modernen Wohnkonzept schmücken, das attraktiv für Familien sei und zudem sei eine schnelle Lösung für die Baulücken in der Stadt gefunden.
Palmer lobt die Idee. Schon seit einigen Jahren erreichen ihn immer wieder Anfragen zu Grundstücken für Tiny Houses, doch bisher konnte die Stadt dafür keine anbieten. Das könnte sich jetzt ändern. »Tiny Houses bieten sich idealerweise an. Wir haben leere Grundstücke, deren Eigentümer nicht bauen wollen. Oftmals steckt dahinter, dass die Enkel es vererbt bekommen sollen. Aber das kann in einigen Fällen noch Jahre dauern«, sagt Palmer. Die Tiny Houses eigenen sich besonders, weil sie schnell auf- und abbaubar sind.
Palmer betont, dass er sich Pachtverträge von rund 15 Jahren zwischen den Grundstückeigentümern und den Tiny-House-Besitzern vorstellen könne. »Die Stadt kann natürlich nicht entscheiden, ob ein Grundstücksbesitzer ein Tiny House auf seinem Grundstück zulässt«, erklärte der Oberbürgermeister. Aber sobald ein solches Haus auf dem Grundstück stehen würde, sei das Baugebot und die Drohung mit dem Bußgeld hinfällig.
Palmer will die Eigentümer nun wieder anschreiben und über die Möglichkeit der kleinen Häuschen auf ihrem Grundstück informieren. (sapo)
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