TÜBINGEN. Ein neues Forschungsprojekt des Instituts für Kriminologie (IfK) der Universität Tübingen ist vor einigen Tagen an den Start gegangen. Unter der Leitung des Institutsdirektors, Professor Jörg Kinzig, werden im Rahmen einer bundesweiten Online-Umfrage Schöffinnen und Schöffen zu ihren Erfahrungen bei ihrer Mitwirkung in Strafverfahren befragt.
Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die sogenannte »Verständigung im Strafverfahren« gelegt, umgangssprachlich oft »Deals« genannt. Solche Deals zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht sind in Deutschland erst seit dem Jahr 2009 in § 257c der Strafprozessordnung ausdrücklich geregelt.
Vorgaben oft nicht eingehalten
Die Studie knüpft an ein bereits abgeschlossenes, ebenfalls bundesweit durchgeführtes Forschungsprojekt zur Verständigung im Strafprozess an. Beauftragt vom Bundesjustizministerium, hatte das IfK zwischen 2018 und 2020 gemeinsam mit Forschungsteams der Universitäten Düsseldorf (Leitung: Professor Karsten Altenhain) und Frankfurt am Main (Leitung: Professor Matthias Jahn) untersucht, inwieweit sich die professionellen Akteure an den Strafgerichten, in der Staatsanwaltschaft und der Strafverteidigung an die gesetzlichen Vorgaben zur Verständigung halten.
Professionellen gleichgestellt
Ein Aufsehen erregendes Ergebnis der damaligen Umfrage war, dass rund ein Fünftel der Befragten berichtete, regelmäßig von sogenannten illegalen Deals zu hören. Über 15 Prozent gaben sogar an, sich selbst häufig an diesen zu beteiligen. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz erklärte damals als Reaktion, die Erforderlichkeit weiterer gesetzlicher Regelungen prüfen zu wollen. Die neu gewählte Ampelregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag nunmehr angekündigt, »die Verständigung im Strafverfahren einschließlich möglicher Gespräche über die Verfahrensgestaltung« neu zu regeln.
Die begonnene Befragung der Schöffinnen und Schöffen soll dazu dienen, deren Rolle bei der Verständigung im Strafprozess zu untersuchen. Dies ist deswegen besonders wichtig, weil es sich bei Schöffinnen und Schöffen zwar um juristische Laien handelt, sie aber den Berufsrichterinnen und -richtern formal gleichgestellt sind und über das gleiche Stimmrecht verfügen.
Zur Realisierung des Forschungsprojekts konnte sich das IfK die Unterstützung der Justizministerien sämtlicher 16 Bundesländer sichern, wodurch die bundesweite Online-Befragung erst möglich wurde. Die Umfrage wird zudem unter anderem von der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen unterstützt.
Schon über 2.000 Teilnehmer
Schon jetzt haben mehr als 2.000 Schöffinnen und Schöffen aus ganz Deutschland an der Online-Umfrage teilgenommen. Dennoch wird die Aktion noch mehrere Wochen geschaltet sein. Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts werden dann im ersten Halbjahr 2022 erwartet. (u)