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Aktuell Verwaltungsgericht

Eilanträge gegen Sperrstunde in Kreisen Reutlingen und Tübingen erfolglos

Vergeblich haben Gastronomen aus den Kreisen Reutlingen und Tübingen versucht, die Sperrstunde gerichtlich zu kippen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat entsprechende Anträge abgelehnt.

Statue der Justitia
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa/Archivbild
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa/Archivbild

REUTLINGEN/TÜBINGEN. Die 14. und die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen haben die Anträge von Gastronomen auf Suspendierung der von den Landratsämtern Reutlingen und Tübingen erlassenen Allgemeinverfügungen zur Festsetzung einer nächtlichen Sperrzeit für Gaststätten abgelehnt.

Der von der 14. Kammer entschiedene Fall betraf die Allgemeinverfügung des Landratsamts Reutlingen vom 24.10.2020, nach der eine Sperrzeit von 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages gilt.

Das Infektionsschutzgesetz gibt's her

Nach der Entscheidung des Gerichts sind die Voraussetzungen laut Infektionsschutzgesetz für die Allgemeinverfügung erfüllt. Die Sperrzeitverlängerung sei auch grundsätzlich geeignet, zu einer Verlangsamung der Ausbreitung des Corona-Virus beizutragen. Der Einwand des Antragstellers, die Schließung von Gaststätten bewirke eine Verlagerung von Zusammenkünften in den privaten Bereich, verfange nicht, weil auch die hierfür geltenden Regelungen nach der aktuellen Corona-Verordnung der Landesregierung Verschärfungen erfahren hätten. Auch die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Sperrstundenverlängerung unterliege voraussichtlich keinen Bedenken.

Juristische Feinheiten ohne Auswirkungen

Offen sei indes, ob die Anordnung an einem Ermessensfehler in Gestalt des Ermessensausfalls leide, weil das Landratsamt sich an den Erlass des Sozialministeriums vom 23.10.2020 gebunden gesehen habe, der bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 Fällen je 100.000 Einwohner die Verhängung einer Sperrstunde vorgibt. Einiges spreche indes dafür, dass der Erlass mit dem zugrundeliegenden »Stufenmodell« die nach § 28 Infektionsschutzgesetz erforderliche Ermessensausübung nach Art einer ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift vorwegnehme. Bei mithin offenen Erfolgsaussichten des gegen die Allgemeinverfügung eingelegten Widerspruchs sei eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabwägung vorzunehmen. Diese gehe angesichts der potenziell gravierenden Folgen für Leben und körperliche Unversehrtheit eines großen Teils der Bevölkerung zu Ungunsten des Antragstellers aus.

Der von der 8. Kammer entschiedene Fall betraf die Allgemeinverfügung des Landratsamts Tübingen vom 23.10.2020, die ebenfalls eine Sperrstunde von 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetags anordnet, während der zudem Ausschank, Abgabe und Verkauf von alkoholischen Getränken verboten sind.

Hier kommt das Gericht zum Ergebnis, die Anträge der Tübinger Gastronomen seien mangels Antragsbefugnis unzulässig, da nicht dargelegt sei, in welcher rechtlichen Beziehung sie zu den in der Antragsschrift angeführten Gaststätten stünden. Eines der dort genannten Restaurants schließe ausweislich im Internet verfügbarer Informationen zudem bereits um 22 Uhr, sodass auch insofern keine Betroffenheit durch die Sperrstundenregelung ersichtlich sei. Den Anträgen könne auch in der Sache kein Erfolg beschieden sein. Die Sperrstundenanordnung sei von der Ermächtigungsgrundlage des Infektionsschutzgesetz gedeckt und voraussichtlich auch unter ermessensrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Sperrstunde sei verhältnismäßig

Insbesondere erweise sie sich voraussichtlich als verhältnismäßig. Zwar scheine die Gastronomie im Vergleich zu anderen Infektionsumfeldern (private Haushalte, Alten- und Pflegeheime, Arbeitsplatz) für das Ausbreitungsgeschehen eine eher untergeordnete Rolle einzunehmen. Allerdings sei der Anteil der Infektionen, die überhaupt noch einem bestimmten Umfeld zugeordnet werden könnten, gering. Daher sei nach der Einschätzung des Robert Koch-Instituts eine Intensivierung der gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen (»Gesamtpaket«) erforderlich.

Zu berücksichtigen sei auch, dass die hier in Rede stehenden Gaststättenbesuche zu später Stunde typischerweise vermehrt auf Geselligkeit ausgerichtet seien. Der Erforderlichkeit könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Gastronomiebetriebe von der Corona-Verordnung verlangte Hygienekonzepte umgesetzt hätten. Solche Maßnahmen seien jedenfalls nicht in gleicher Weise wie eine Sperrstunde mit Alkoholausschankverbot geeignet, die Ansteckungswahrscheinlichkeit zu verringern. Die Sperrstundenregelung sei auch im engeren Sinne verhältnismäßig, weil sie nur für gut zwei Wochen gelte und bei einem weiteren Ansteigen der Infektionszahlen ein unkontrollierbares Ausbreitungsgeschehen mit gravierenden Auswirkungen zu besorgen sei.

Die Beschlüsse sind noch nicht rechtskräftig. Die Antragsteller können binnen zwei Wochen nach Zustellung Beschwerde einlegen, über die der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim zu befinden hat.

Reutlinger Landrat Reumann begrüßt Entscheidung

In einer Stellungnahme äußert sich der Reutlinger Landrat Thomas: »Ich begrüße  sehr, dass mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen nunmehr Klarheit über die grundsätzliche Zulässigkeit einer Sperrstunde geschaffen worden ist«, so Reumann. »Die deutliche Zunahme an Neuinfektionen auch im Landkreis Reutlingen zeigt, dass das Pandemiegeschehen sehr dynamisch ist. Innerhalb weniger Tage ist die 7-Tage-Inzidenz auf über 70 gestiegen. Es macht mir Sorgen, dass auch die Anzahl der Covid-19-Patientinnen und Patienten in den Kreiskliniken wieder zunimmt«, unterstreicht Reumann.

»Die beschlossenen Maßnahmen treffen uns alle, viele in ihrem beruflichen, alle in ihrem persönlichen Umfeld«, so Reumann abschließend. »Es geht jedoch darum eine drohende Notlage des Gesundheitsbereichs abzuwenden, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und unsere Kliniken vor einer Überlastung zu schützen. Dafür müssen wir jetzt handeln und die Pandemie mit aller Kraft zum Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bestmöglich bekämpfen.« (pm)