KUSTERDINGEN. Bald hat er es geschafft. Noch ein paar wenige Stationen, dann war Chris Kühn in alle Gemeinden seines Wahlkreises. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen wollte aus erster Hand wissen, wo der Schuh in den Kommunen drückt. Ein Fazit kann er jetzt schon ziehen: Die Flüchtlingsfrage steht nicht an erster Stelle. Nahversorgung, Verkehr, Bildungsinfrastruktur und Wohnen sind die Themen, die in den Landkreisen Tübingen und Zollernalb bewegen. Das ist auch in Kusterdingen so. Für Kühn war es ein Heimspiel. Schließlich wohnt er in Immenhausen.
Das Thema Verkehr holte Kühn gleich vor dem Kusterdinger Rathaus ein. Tempo 30 gilt zwar fast durch den gesamten Ort. Aber eben nur fast. Die Regelgeschwindigkeit sollte innerorts 30 Stundenkilometer sein, forderte Bürgermeister Jürgen Soltau. Das konnte der Grünenpolitiker nur unterstützen. Entscheiden müsse das aber der Bundes-Verkehrsminister Andreas Scheuer.
Beispielhaft gelöst ist in Kusterdingen das Thema Nahversorgung. Soltau weiß noch, wie innerhalb von drei Jahren zwei Supermärkte in Kusterdingen Schiffbruch erlitten haben. Beruhigt habe sich die Situation erst, als vor 15 Jahren der Bonus-Markt in das Ladenlokal zog. Das Konzept des Betreibers: Nahversorgung sichern und gleichzeitig Langzeitarbeitslosen oder Geflüchteten eine Chance geben, sich zu qualifizieren. Das Konzept geht in Kusterdingen auf.
»Wir setzen voll auf die Karte Bonus«, sagte Soltau. Auch Kühn war überzeugt. Schließlich sei es nicht mehr selbstverständlich, einen Dorfmarkt im Ort zu haben. Beeindruckt zeigte sich der Abgeordnete auch vom schulischen Angebot der Härtengemeinde. Die stellvertretende Schulleiterin des Firstwald-Gymnasiums Birgit Wahl stellte die Schule und ihre Projekte vor. Mit »Lernen durch Engagement« bringen sich Schüler direkt in ihrer Heimatgemeinde ein.
Seit drei Jahren gibt es zudem eine Kooperation zwischen der Schule und den Malerwerkstätten Heinrich Schmid. Gymnasiasten können neben dem Abitur auch einen Gesellenbrief zum Gebäude- und Objektbeschichter erwerben. Ein Angebot, das auf weitere Berufe ausgeweitet werden soll.
Der immer noch bestehende Gegensatz zwischen Gymnasium und Real- oder Gemeinschaftsschule werde damit aufgelöst, lobte Kühn. Außerdem gebe es ein Riesenbedarf an Arbeitskräften im Handwerkerbereich.
Ein gutes Vorzeigeprojekt ist auch der Bau von zwei Häusern für Flüchtlinge. Die Zimmerei Syndikat hat dort etwas zustande gebracht, was Kühn nirgendwo sonst bisher gefunden hat: »Alle Bauunternehmer sagen mir, dass man nicht unter 3 000 Euro pro Quadratmeter Wohnraum bauen kann.« Die Reutlinger Zimmerei hat es geschafft. Die Häuser kosteten 2 000 Euro pro Quadratmeter und lagen damit deutlich günstiger.
Die Zeit drängt. Jetzt noch Jettenburg, danach ging es für den Abgeordneten weiter nach Kirchentellinsfurt. In der neuen Jettenburger Ortsmitte ist gelungen, was sich viele gewünscht haben: Der Autoverkehr ist langsamer geworden, schnelle Traktoren bleiben draußen. Das finden nicht alle gut, weiß Ortsvorsteher Günter Brucklacher zu berichten. »Jeder muss nun auch selbst langsamer fahren.« (iwa)