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Bundesregierung beteiligt sich an Tübinger Impfstoffhersteller Curevac

In der Corona-Krise ruhen enorme Hoffnungen darauf, dass bald ein Impfstoff gefunden werden kann. Nun beteiligt sich der deutsche Staat an einer Firma, die daran arbeitet - es geht auch um Unabhängigkeit.

Biotech-Unternehmen Curevac
Das Rennen um die erste Arzneimittel und Impfstoffe ist in vollem Gang. Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Das Rennen um die erste Arzneimittel und Impfstoffe ist in vollem Gang. Foto: Sebastian Gollnow/dpa

BERLIN/TÜBINGEN. Im weltweiten Rennen um einen Impfstoff gegen das Coronavirus steigt der Bund beim deutschen Biotech-Unternehmen Curevac ein. Wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Montag sagte, übernimmt die staatliche Förderbank KfW für 300 Millionen Euro rund 23 Prozent der Anteile. Ziel sei, dem Unternehmen von Mehrheitseigner Dietmar Hopp finanzielle Sicherheit zu geben. Auf Geschäftsentscheidungen wolle der Staat keinen Einfluss nehmen. Die Firma mit Sitz in Tübingen forscht seit Januar an einem Impfstoff.

Altmaier sagte, die Beteiligung sei zugleich industriepolitisch von hoher Bedeutung. Wichtige Forschungsergebnisse und Technologien würden in Deutschland und Europa gebraucht. Hintergrund sei auch das Ziel der Bundesregierung, bei der Herstellung von Wirkstoffen und in der Impfstoffproduktion mehr Unabhängigkeit zu erreichen. »Mit dieser Investition tun wir einen ersten Schritt in diese Richtung.« Die Technologie von Curevac habe das Potenzial, neue Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten für viele Menschen zu entwickeln.

Hopp erklärte, durch die Corona-Krise sei die hohe Bedeutung der Biotechnologiebranche für die Patienten, die Gesellschaft und die Welt sichtbar geworden. Er freue sich, dass dies auch von staatlicher Seite erkannt und diese Schlüsselindustrie über die frühe Forschung hinaus unterstützt werde. Hopp, der Mitgründer des Softwarekonzerns SAP ist, hält bisher über eine Beteiligungsgesellschaft rund 80 Prozent der Anteile an Curevac. Für den Staatseinstieg verkauft er keine Anteile, dieser soll über eine Kapitalerhöhung laufen.

Weltweit ist ein Wettlauf entstanden, wer den ersten Impfstoff gegen das Coronavirus entwickelt. Wann es so weit ist, ist ungewiss. Auf Curevac ruhten bereits die Hoffnungen, bevor sich das Coronavirus in Deutschland ausbreitete. Ende Januar erteilte die internationale Impfstoffkooperation CEPI dem Unternehmen eine Förderzusage von 8,3 Millionen US-Dollar (rund 7,5 Millionen Euro).

Die Arbeit von Curevac sprach sich herum. Anfang März lud US-Präsident Donald Trump den damaligen Vorstandsvorsitzenden von Curevac, Dan Menichella, und weitere Pharmavertreter ins Weiße Haus, um sich über die Impfstoffsuche zu informieren. Kurz darauf gab es Wirbel um die Tübinger Firma. Medienberichten zufolge versuchte Trump, den Impfstoff exklusiv für sein Land zu sichern und bot der Firma dafür einen hohen Betrag. Die Empörung war groß.

Hauptanteilseigner Hopp hatte einen Verkauf des Unternehmens und Exklusivproduktion vehement abgelehnt. »Ich habe gesagt, das kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Und ich nehme an, damit habe ich bei Curevac offene Türen eingerannt«, sagte er am Montag.

Das Unternehmen selbst hatte ein entsprechendes Angebot Trumps dementiert und Spekulationen über den Verkauf zurückgewiesen. Altmaier will das Investment nun auch als klares Signal für den Standort Deutschland verstanden wissen. »Wir sind überzeugt, dass Curevac auch in Zukunft ein deutsches Unternehmen bleiben wird, das auch international erfolgreich agiert«, sagte er.

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) forderte, der Impfstoff müsse im Erfolgsfall allen Betroffenen weltweit zur Verfügung stehen. Der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer, sagte, es müsse sichergestellt werden, dass es keinen staatlichen Einfluss auf die Geschäftspolitik und durch die Staatsbeteiligung keine Interessenskonflikte bei der Zulassung gebe.

Auch in der Branche war am Montag von einem guten Signal die Rede, dass sich die Bundesregierung in dieser Form für Biotech-Unternehmen engagiere. Darin werde auch eine Reaktion auf den wachsenden Druck der USA um prioritäre Zugänge zu einem Impfstoff gesehen.

Nach Angaben des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen von Mai gab es weltweit mehr als 120 Impfstoff-Projekte, von kleinen Firmen wie Curevac und Biontech (Mainz) bis zu Konzernen wie Sanofi und GlaxoSmithKline. Laut der Beratungsgesellschaft EY hat die Branche in kürzester Zeit bis Anfang Juni 161 Impfstoff-Kandidaten sowie 242 therapeutische Test-Wirkstoffe hervorgebracht. Darüber hinaus wurden weltweit mehr als 700 Corona-Tests entwickelt oder bereits auf den Markt gebracht, wie EY mitteilte. Diese Zahlen änderten sich fast täglich. Nach Einschätzung der Autoren hat aber nur ein Bruchteil der Produktkandidaten tatsächlich eine Chance, auf den Markt zu kommen.

Curevac hat angekündigt, in diesem Monat eine erste klinische Studie zu beginnen. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 aus der Universität Tübingen heraus gegründet und beschäftigt 460 Mitarbeiter. Die Europäische Union hatte für die Entwicklung des Impfstoffes bis zu 80 Millionen Euro als Unterstützung angekündigt.

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums vom Wochenende haben Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande einen ersten Vertrag über mindestens 300 Millionen Impfdosen gegen das Coronavirus geschlossen. Vertragspartner ist das Pharmaunternehmen AstraZeneca. Profitieren sollen demnach alle EU-Staaten, die dabei sein wollen. (dpa)