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Aktuell INTERVIEW

Nicht nur was für Reitanfänger

REUTLINGEN. Voltigieren ist eine weltweit relativ unbekannte Sportart, die keineswegs nur für kleine Kinder als Einstieg in den Reitsport bestimmt ist. Voltigieren wird von vielen Mädchen und Jungen als richtiger Leistungssport ausgeübt. Ein sogenannter Longenführer lässt ein Pferd an einer Longe um sich herum im Kreis laufen. Die Turniergang-art ist der Galopp. Auf dem Pferd führen die Voltigierer Übungen aus, die in ihrer Schwierigkeit variieren. Vom einfachen Grundsitz über Handstand und Standwaage bis zu Salto und Flick-Flack auf dem Pferd ist alles vertreten.

Natürlich wird nicht auf dem freien Pferderücken geturnt. Das Pferd trägt eine spezielle Ausrüstung. Dazu gehört ein Voltigiergurt mit zwei Griffen und zwei Schlaufen, der auf dem Pferderücken liegt. Geschützt wird der Pferdebauch durch eine dicke Gurtunterlage aus Schaumgummi. Darunter liegt das »Pad«, das den Rücken des Tieres schützt. Beim Training trägt man eng anliegende Sportkleidung und Schläppchen mit speziellen Sohlen, um ein Abrutschen auf dem Pferderücken zu vermeiden.

Voltigieren erfordert Gleichgewichtssinn, Körperspannung, Beweglichkeit, Kraft und Rhythmusgefühl. Ebenso wichtig ist der Gruppenzusammenhalt, und dass man Spaß bei der Sache hat – auch das Pferd. Die Voltigierer müssen sich zu hundert Prozent aufeinander und das Pferd verlassen können, ebenso umgekehrt. Gegenseitiges Vertrauen ist beim Voltigieren sehr wichtig. Das Pferd ist für eine Mannschaft die halbe Miete. Im Training läuft es nicht nur im Galopp. Es wird darauf geachtet, dass das Pferd während des Trainings Gangartwechsel und Richtungswechsel hat. Für die Voltigierer sind auch Krafttraining und Turneinheiten sehr wichtig. Die unangenehmen Krafttrainings gehören auch zur Sportart.

Voltigieren ist keine olympische Sportart, aber es finden durchaus Deutsche Meisterschaften, Europameisterschaften und Weltmeisterschaften statt. Und natürlich die von einem Verein ausgerichteten Turniere. Auf einem Turnier gibt es verschiedene Leistungsklassen, in denen unterschiedlich viele Voltigierer starten. So kann man den Leistungsklassen entsprechend als Gruppe mit acht oder sechs Personen starten, als Doppel oder einzeln. Bis zu drei Richter geben Noten von eins bis zehn. Nur mit einer bestimmten Note kann man in eine höhere Leistungsklasse aufsteigen. Und natürlich gewinnt die Mannschaft, die den besten Gesamtdurchschnitt erreicht.

Von jedem einzelnen Voltigierer wird ein Pflichtteil verlangt. Er besteht aus einer Folge von Übungen, die der Leistungsklasse entsprechen. Anschließend führt jede Mannschaft eine Kür vor, bei der bis zu drei Voltigierer gleichzeitig auf dem Pferd sind und die jeder Verein selbst gestalten kann. Es gibt nur ein paar Pflichtübungen, die in der Kür enthalten sein müssen. Auch ist jede Mannschaft verpflichtet, zuerst einen Richtergruß zu machen und das Pferd ein paar Runden im Trab laufen zu lassen, damit die Richter sehen, ob es lahmt. Es wird sofort zur Sicherheit der Voltigierer und des Pferdes abgeklingelt, wenn ein Pferd während des Wettkampfes anfängt zu lahmen oder zu bocken. Die Voltigierer tragen bei einem Turnier enge Ganzkörperanzüge, und die Mädchen haben Hochsteckfrisuren. Für das Pferd gelten keine weiteren Vorgaben.

Voltigieren ist auf keinen Fall nur eine Mädchensportart. Zwar gibt es einen deutlichen Mädchenüberschuss, aber Jungs sind sehr gern gesehen in einer Mannschaft, da sie meistens kräftiger sind und deswegen gut stützen können. Natürlich ist Voltigieren keine ungefährliche Sportart. Auf einem galoppierenden Pferd zu turnen, ist eine hohe Leistung. Daher kann es schon mal zu kleinen Unfällen kommen. Jedoch wird alles Mögliche getan, um dies zu verhindern. Bevor ein Voltigierer eine Übung auf dem galoppierenden Pferd ausführt, wird diese erst auf einem Holzpferd oder auf dem im Schritt gehenden Pferd geübt. Außerdem sind die Übungen dem Können des Einzelnen angepasst. Auch die Pferde spüren, wenn jemand, der auf seinem Rücken turnt, herunterfällt. Die meisten gut ausgebildeten Pferde bleiben sofort stehen, um den Voltigierer nicht zu verletzen.

ZmS-Reporterin Lena Bauer hat mit einer ausgebildeten Voltigiertrainerin über ihren Sport gesprochen:

ZmS: Kannst Du ein bisschen etwas über Deine Trainerausbildung erzählen?

Trainerin: Ich habe mit sechs Jahren angefangen zu voltigieren und bin, als ich älter wurde, Nachwuchsausbilderin geworden. Später habe ich die nebenberufliche Trainer-C-Ausbildung gemacht. Währenddessen habe ich in Tübingen Diplomsportpädagogik studiert. Ich bin seit 25 Jahren Trainerin verschiedener Gruppen.

Wie lange dauert die Trainerausbildung?

Trainerin: Mindestens drei Wochen. Man muss sich freinehmen und es kostet ziemlich viel, aber es lohnt sich. Man lernt sehr viel.

»Das Pferd muss sehr brav sein, gleichmäßig galoppieren und eine gute Muskulatur haben«
Was zum Beispiel?

Trainerin: Vor allem pädagogische Sachen. Also wie man mit Kindern und Jugendlichen umgeht. Man lernt auch sehr viel über die verschiedenen Übungen, wie man sie aufbaut und wie man sie jemandem beibringt. Man erfährt außerdem viel über Gymnastik, welche Muskeln es gibt und wie man sie ausbildet, dehnt und kräftigt, oder wie man sie schneller machen kann. Auch über das Pferd lernt man viel – wie man es richtig longiert und wie es auf Hilfen reagiert, also auf Longe und Peitsche. Auf einem Turnier muss es ruhig galoppieren, damit den Voltigierern nichts passiert, wenn sie ihre akrobatischen Übungen machen und sie sich aufs Pferd verlassen können. Man bekommt Informationen über die Pferdefütterung und -haltung. Natürlich hat man auch Trainingslehre, also: Wie baue ich ein Training auf, wenn ich im Herbst aufs Turnier will?

Wie sieht ein optimales Voltigierpferd aus? Welche Eigenschaften hat es?

Trainerin: Die Größe des Voltigierpferdes hängt von der Größe der Voltigierer ab. Das Pferd muss vom Charakter her sehr brav sein, eine ruhige, gleichmäßige Galoppade haben, sehr kinderfreundlich sein und es muss eine gute Muskulatur haben. Das heißt, es muss auch reiterlich gut ausgebildet werden, damit es im Voltigiersport bestehen kann, da es dort ja eigentlich nur im Kreis läuft und auf jeden Fall einen Ausgleich braucht.

Muss ein Turnierpferd im Voltigiersport ausgebildet sein?

Trainerin: Ein Voltigierpferd muss selbstverständlich ausgebildet sein, weil die Pferde am Anfang ja überhaupt nicht wissen, was auf ihrem Rücken passiert. Wenn man Übungen macht, verlagert man oft das Gewicht oder die Position. Mal sitzt man alleine drauf, mal zu zweit. Das muss das Pferd alles kennen und merken, dass ihm nichts passiert.

Was sagst Du zu dem Thema Tierquälerei im Voltigiersport?

Trainerin: Wenn man auf ein Turnier geht, dann sieht man manchmal, dass manche Pferde überlastet sind. Dass sie es eigentlich nicht schaffen, zwölf Minuten zu galoppieren mit einem oder zwei Voltigierern. Sie sind kraftmäßig noch nicht genug ausgebildet. Es gibt auch Longierer, die vielleicht die Peitsche zu oft einsetzen oder vorne mit der Hand zu hart sind. Solche Sachen sehe ich kritisch. Ich denke, es nützt nichts, wenn man ein Pferd zu etwas zwingt, wozu es keine Lust hat oder was es eigentlich nicht leisten kann. Ich finde, es macht nur Sinn, wenn das Pferd kraftmäßig mitmachen kann und es das auch gerne macht. Das merkt man dem Pferd und der Gruppe dann auch an. (ZmS)

Lena Bauer, BZN-Gymnasium Reutlingen, Klasse 9d

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