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Sechs Frauen, sechs Männer: Wer alles im grün-schwarzen Kabinett sitzt

Sitzung Landtag Baden-Württemberg
Der Landtag in Baden-Württemberg. Foto: dpa/Gollnow
Der Landtag in Baden-Württemberg.
Foto: dpa/Gollnow

STUTTGART. Landesvater Winfried Kretschmann (Grüne) startet in seine dritte und wohl letzte Amtszeit. Grüne und CDU wollen den Südwesten zum »führenden Klimaschutzland« umbauen. Das neue grün-schwarze Landeskabinett des Ministerpräsidenten umfasst elf Fachministerien - eines mehr als in den vergangenen fünf Jahren. Das Verhältnis von Frauen und Männern ist ausgeglichen: 6:6. Neu in dieser Riege sind fünf, drei von den Grünen, zwei von der CDU. Durch das neu geschaffene Ministerium Landesplanung und Wohnen bleibt die Union, was die Zahl der Fachministerien angeht, auf Augenhöhe: 5:5.

WINFRIED KRETSCHMANN (Grüne)

Landtag Baden-Württemberg
Winfried Kretschmann (Grüne) Foto: dpa
Winfried Kretschmann (Grüne)
Foto: dpa

Wenn der 72-Jährige an diesem Mittwoch zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt wird, ist das der Anfang vom Ende. Denn Kretschmann hat erklärt, dass es seine letzte Amtsperiode sein wird. Bleibt er bis zum Schluss, hat er mit 15 Jahren länger regiert als Erwin Teufel und ist fast 78. Der grüne Erfolgsgarant bei Wahlen muss nicht nur die neue Koalition mit der CDU führen, die mit wenig Geld auskommen muss. Er muss bei den Grünen auch den Übergang in eine Zeit ohne ihn moderieren. Doch Kretschmann ist nur schwer zu ersetzen. Der überzeugte Katholik, dreifache Vater und zweifache Großvater ist wertkonservativ und bodenständig, seinen bedächtigen Stil kann keiner kopieren. Grün ist das neue Schwarz, heißt es jetzt oft, doch gilt das auch ohne Kretschmann? Und: Erträgt er es, wenn sich die Grünen von ihrem Übervater emanzipieren?

THOMAS STROBL (CDU)

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU)
Thomas Strobl (CDU) Foto: dpa
Thomas Strobl (CDU)
Foto: dpa

Seine Frau Christine Strobl sagte neulich, sie habe einen Mann, »der zuhause nicht stört«. Die neue Programmdirektorin der ARD und der Vize-Ministerpräsident und Innenminister werden künftig wohl noch weniger Zeit zuhause in Heilbronn verbringen. Thomas Strobl ist es zur Freude der meisten in der CDU gelungen, die Union trotz der schweren Wahlniederlage unter Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann wieder in die Regierung zu führen. Der 61-jährige CDU-Bundesvize nutzte das Momentum und stellte in Partei, Fraktion und Regierung recht geräuschlos die Weichen für einen Neuanfang. Gleichwohl musste der Anwalt den Grünen zahlreiche Zugeständnisse machen und steht für das »neue Miteinander« mit den Grünen. Das schmeckt an der CDU-Basis, die Strobl schon zweimal den Zugriff auf die Spitzenkandidatur verwehrte, nicht jedem.

DANYAL BAYAZ (Grüne)

Danyal Bayaz, (Grüne) Foto: dpa
Danyal Bayaz, (Grüne)
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Er ist der Shooting Star der neuen Regierung. Aus der Opposition im Bundestag springt der 37-jährige Heidelberger in die Landesregierung - und gleich auf den verantwortungsvollen Job des Finanzministers. Bayaz hat eine deutsche Mutter und einen türkischen Vater und hat in Stuttgart Politik und Wirtschaft studiert. Er trat 2005 den Grünen bei, war Unternehmensberater und kam 2017 in den Bundestag. Dort hat er als Grünen-Vertreter im Untersuchungsausschuss zum Skandal um den Finanzdienstleister Wirecard auf sich aufmerksam gemacht. Vor ihm liegt eine heikle Aufgabe, weil der Etat riesige Löcher hat. Er muss das Kunststück vollbringen, die Schuldenbremse einzuhalten und trotzdem zu investieren. Privat wird er wohl öfter nach München fahren: Er ist mit der Grünen-Landtagsfraktionschefin Katharina Schulze liiert.

THERESA SCHOPPER (Grüne)

Theresa Schopper, (Grüne) Foto: dpa
Theresa Schopper, (Grüne)
Foto: dpa

»Bei Bildung kannst Du nur Unentschieden spielen«, heißt ein Bonmot der Landespolitik. Eine Kultusministerin muss Kinder und Jugendliche, Eltern, Lehrkräfte und deren Verbände im Auge behalten, das eigene Haus managen und den größten Etat von 13 Milliarden Euro verwalten. Theresa Schopper (60) ist von Haus aus Kommunikationsexpertin. Die Allgäuerin war zuletzt Staatsministerin unter Kretschmann und dafür zuständig, Öl ins Regierungsgetriebe zu tröpfeln. Sie hat Soziologie, Psychologie und Kriminologie studiert, war Grünen-Chefin in Bayern und gilt als sehr umgänglich. Bildungspolitischen Input soll die erste grüne Kultusministerin von den Staatssekretärin Sandra Boser (Grüne) und Volker Schebesta (CDU) bekommen. Die Verbände werden darauf achten, wie durchsetzungsfähig sie in den Etatverhandlungen ist. Es stehen über tausend Lehrkräfte auf der Streichliste.

THEKLA WALKER (Grüne)

Thekla Walker, (Grüne) Foto: dpa
Thekla Walker, (Grüne)
Foto: dpa

Es sind große Fußstapfen und große Aufgaben, die vor Thekla Walker stehen. Die 52-jährige Stuttgarterin und bisherige Fraktionsvize muss den über die Parteigrenzen hin angesehenen Umweltminister Franz Untersteller ersetzen. Und Kretschmanns Versprechen in die Tat umsetzen, indem sie Baden-Württemberg zum »Klimaschutzland Nummer eins in Deutschland und Europa« macht. Sie wird sofort loslegen müssen, um die Energiewende voranzutreiben. Da sie zuletzt finanzpolitische Sprecherin war, weiß sie um den Geldmangel in der Landeskasse. Walker hat Geschichte und Englisch in Tübingen studiert und sich zur Naturpädagogin weitergebildet. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Staatssekretär Andre Baumann (48) wäre gern selbst Ressortchef geworden. Der Biologe und frühere Nabu-Landeschef wird vor allem beim Naturschutz Akzente setzen.

NICOLE HOFFMEISTER-KRAUT (CDU)

Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) Foto: dpa
Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU)
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Sie galt als Wackelkandidatin. Hoffmeister-Kraut hing das Debakel um den Pavillon bei der Expo in Dubai in den Kleidern. Im U-Ausschuss gab die 48-Jährige selbst nach Ansicht eigener Leute eine schwache Figur ab. Während der Koalitionsverhandlungen hieß es, wenn die Sigmaringer Landrätin Stefanie Bürkle nach Stuttgart kommen wolle, sei Hoffmeister-Kraut raus. Auch weil ihr einstiger Förderer Strobl ihr übelnehme, dass sie in der Frage der Spitzenkandidatur schnell auf die Seite von Susanne Eisenmann gewechselt sei. Doch die Strobl-Vertraute Bürkle kam nicht. Und so kann die Frau, die im Zollernalbkreis das zweitbeste Landtagsergebnis erzielte, Ministerin bleiben. Hoffmeister-Kraut ist Mitbesitzerin der Waagen-Firma Bizerba, verheiratet und hat drei Kinder. Ihr Ressort verliert die Zuständigkeit für Bauen und Wohnen an das neue Ministerium, gewinnt aber Tourismus aus dem Justizministerium hinzu.

MARION GENTGES (CDU)

Marion Gentges (CDU) Foto: dpa
Marion Gentges (CDU)
Foto: dpa

Sie ist die Newcomerin in der Kabinettsriege. Weil CDU-Chef Strobl neue Gesichter bringen wollte und musste, fiel sein Blick auf die 49-jährige Anwältin für Arbeitsrecht. Die Abgeordnete hat sich in ihrer ersten Zeit im Landtag mit Wissenschaftspolitik beschäftigt. Ministerin Theresia Bauer (Grüne) musste öfters feststellen, dass Gentges durchaus bissig sein kann. Mit ihrer Kür gab Strobl dem Drängen der CDU Südbaden nach, die eine der ihren als Ministerin sehen und Ex-Fraktionschef Wolfgang Reinhart verhindern wollte. Gentges ist seit über 30 Jahren in der CDU. Sie ist verheiratet und hat ein Kind. Im heiklen U-Ausschuss um den Dubai-Pavillon war sie Obfrau der CDU und verteidigte loyal ihre Parteifreundin Hoffmeister-Kraut. Ihr Justizministerium wird gerupft: Europa geht ins Staatsministerium, Tourismus ist auch weg. Dafür bekommt Gentges aus dem Innenministerium die Migration hinzu.

NICOLE RAZAVI (CDU)

Nicole Razavi (CDU) Foto: dpa
Nicole Razavi (CDU)
Foto: dpa

Dass Nicole Razavi und Winfried Hermann mal im selben Kabinett sitzen würden, ist eine Ironie des Schicksals. Es gibt wohl niemanden im Landtag, der den grünen Verkehrsminister so attackiert hat wie die CDU-Frau. Ihre Hochzeit war in der Phase der grün-roten Regierung, als sie Hermann in den Debatten um Stuttgart 21 »Verkehrtminister« und »Geisterfahrer« nannte. Razavi galt lange Zeit als Vertraute von Ex-Ministerpräsident Stefan Mappus, sie war seine Büroleiterin, als er Fraktionschef war. Doch unter Grün-Schwarz nahm sich Razavi, die Lehrerin für Englisch, Politik und Sport ist, deutlich zurück. Sie wurde Fraktionsvize und nahm an den Koalitionsgesprächen teil. Zum Lohn bekommt die 55-Jährige aus dem Wahlkreis Geislingen das neue Ministerium für Landesplanung und Wohnen. Spannend wird zu beobachten sein, wie sportlich die begeisterte Skifahrerin mit ihrer grünen Staatssekretärin Andrea Lindlohr umgeht.

WINFRIED HERMANN (Grüne)

Winfried Hermann, (Grüne) Foto: dpa
Winfried Hermann, (Grüne)
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Der alte Weggefährte von Kretschmann weicht ihm auch in der dritten Amtszeit nicht von der Seite. »Winne« Hermann ist mittlerweile auch schon 68 Jahre alt, was man dem leidenschaftlichen Fahrradfahrer aber kaum ansieht. Der Liebling der Linken bei den Grünen war in den vergangenen zehn Jahren oft der Buhmann der Opposition. Erst hat man ihm vorgeworfen, er sabotiere als Verkehrsminister Stuttgart 21, dann baute er angeblich zu wenig Straßen im Autoland. Hermann rühmt sich mittlerweile gern damit, den Sanierungsstau abgebaut und mehr Straßen gebaut zu haben als so gut wie jeder CDU-Minister vor ihm. Der Ex-Lehrer mit dem Knopf im linken Ohrläppchen ist verheiratet und hat eine Tochter. Er war von 1998 bis 2011 im Bundestag, kämpft seit jeher für das Tempolimit. In seinem Stuttgarter Wahlkreis hat er im März Eisenmann geschlagen. Bei dem nun geplanten massiven Ausbau des Nahverkehrs ist Hermann auch auf die Kommunen angewiesen.

THERESIA BAUER (Grüne)

Theresia Bauer, (Grüne) Foto: dpa
Theresia Bauer, (Grüne)
Foto: dpa

Sie war in der Szene ein Star. Theresia Bauer war bis 2016 dreimal Wissenschaftsministerin des Jahres. Doch dann sank ihr Stern. Die Zulagenaffäre um die Verwaltungshochschule Ludwigsburg hing ihr wie ein Stein um den Hals, wenngleich sie am Ende vom Verwaltungsgerichtshof endgültig eine weiße Weste verpasst bekam. Dass Bauer dennoch wieder am Kabinettstisch sitzen darf, hat auch etwas damit zu tun, dass sie in Heidelberg mit 41,7 Prozent das landesweit drittbeste Ergebnis einfuhr. Die 56-Jährige ist verheiratet und hat zwei Söhne. Sie studierte Politik, Deutsch und Volkswirtschaft und zog 2011 erstmals in den Landtag ein. Auf ihrem Aufgabenzettel stehen die milliardenschwere Sanierung der Stuttgarter Oper und die zugesagten weiteren Mittel für die klammen Hochschulen. Auch bei den neuen Innovationscampus muss sie hoffen, dass trotz des Engpasses im Landesetat noch genügend Geld da ist.

MANNE LUCHA (Grüne)

Manfred Lucha, (Grüne) Foto: dpa
Manfred Lucha, (Grüne)
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Seit Ausbruch der Corona-Pandemie auch in Deutschland ist Manne Lucha als Krisenmanager gefragt. Der gebürtige Bayer ist am Tag vor der Landtagswahl 60 geworden, richtig groß feiern konnte er nicht. Schon allein wegen des Lockdowns, aber auch weil er keine Zeit hatte. Die teilweise heftige Kritik am Management, etwa in Sachen Impftempo oder Teststrategie, geht nicht spurlos an dem Sozialminister vorbei. Er ist ein Gemütsmensch und Kumpeltyp, der sich schwer konzentrieren muss, um klipp und klar zu kommunizieren. Selbst bei den Grünen heißt es, das kleine Sozialministerium sei mit der Riesenaufgabe eigentlich überfordert. Lucha muss oder darf - je nach Sichtweise - nun weiter ackern. Lucha ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit über 40 Jahren ist er bei den Grünen und vertritt den Wahlkreis Ravensburg. Seinen Job hat er von der Pike auf gelernt. Er war Krankenpfleger in der Psychiatrie und hat Sozialarbeit und Gesundheitsmanagement studiert.

PETER HAUK (CDU)

Peter Hauk (CDU) Foto: dpa
Peter Hauk (CDU)
Foto: dpa

Der 60-jährige Odenwälder ist ein alter Politprofi. Er sitzt seit fast 30 Jahren im Landtag und war schon unter Günther Oettinger von 2005 bis 2010 Agrarminister. Der Forstwirt galt als Hauptkonkurrent von Stefan Mappus, der sich aber im Kampf um die Nachfolge Oettingers am Ende durchsetzte. Als Mappus als Regierungschef die Landtagswahl verlor, übernahm Hauk die ungewohnte Aufgabe des Oppositionsführers. Unter Grün-Schwarz wurde er 2016 erneut Minister für Ländlichen Raum, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Als Interessenvertreter der Bauern geriet er immer wieder mit den Grünen aneinander. Doch als das Volksbegehren »Rettet die Bienen« anstand, fand er mit Minister Untersteller, Umweltschützern und Bauernverband eine Lösung. Hauk, der drei Kinder hat, unterstützte Strobl zuletzt energisch bei den Bemühungen um eine Neuauflage der Koalition mit den Grünen. (dpa)