REUTLINGEN. Kneipen, Restaurants, Kinos und andere öffentliche Einrichtungen setzen seit Monaten auf die Luca-App zur Kontaktdaten-Verfolgung. Die Gäste und Kunden haben sich daran gewöhnt. Dennoch war die App nie ganz unumstritten. Etwa wegen möglicher Sicherheitsprobleme. 3,7 Millionen Euro bezahlt das Land für eine einjährige Nutzung, der Vertrag läuft im März aus. Die Stimmen mehren sich, die fordern, den Vertrag nicht zu verlängern und auf die mit Steuergeldern finanzierte Corona-Warn-App des Bundes umzusteigen, die über vergleichbare Funktionen verfüge. Der GEA hat sich bei regionalen Abgeordneten und beim Gastro-Verband Dehoga umgehört, wie sie dazu stehen.
- Thomas Poreski, Grüne
Die Luca-App war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das Ende der Zettelwirtschaft bei der Nachverfolgung von Infektionsketten und ein Schlüssel zu verantwortbaren Öffnungen. Mittlerweile haben sich die Pandemiesituation, die technischen Möglichkeiten und die rechtliche Lage verändert. Mit der neuen Corona-Verordnung ist es nicht mehr notwendig, die Kontaktdaten an das Gesundheitsamt zu schicken. Ein Einchecken ist nun auch mit der Corona-Warn-App möglich. Die Luca-App wird nun vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung evaluiert. Anhand der Ergebnisse wird entschieden, ob eine Vertragsverlängerung sinnvoll ist oder nicht.
- Manuel Hailfinger, CDU
Einerseits sind 3,7 Millionen Euro keine Kleinigkeit. Andererseits war die Investition nicht umsonst, weil bisher über 10 000 Bürgerinnen und Bürger dank der Luca-App vor einer möglichen Ansteckung gewarnt wurden. Es gibt sicher berechtigte Kritik an der App. Speziell daran, dass die Nutzer zu selten eine Erkrankung melden. Immerhin ist aber die Zettelwirtschaft, die zuvor herrschte, durch die Einführung der Smartphone-Anwendung beseitigt worden. Aber auch wenn die Luca-App kein Universalmittel ist, so eignet sie sich doch sehr gut zur Kontaktnachverfolgung, insbesondere in der Gastronomie. Im Rahmen der jetzt anstehenden Evaluierung müssen nun neben den Vor- und Nachteilen vor allem der Nutzen und die Kosten der Luca-App sowie der Konkurrenzprodukte geklärt werden, bevor der Nutzungsvertrag über den kommenden März hinaus verlängert wird.
- Dorothea Kliche-Behnke, SPD
Die Luca-App hat ihre Vor- und Nachteile. Denkt man aber an die Zeit ihrer Einführung zurück, war sie ein Durchbruch bei der Kontaktnachverfolgung. Als nur ein Bruchteil der Bevölkerung geimpft und die Gesundheitsämter nahezu überall überfordert waren, bot die App einen Ausweg aus einer datenschutzrechtlich schwierigen Zettelwirtschaft. Und trotz ihrer Schwächen hat der Landesdatenschutzbeauftragte ihr das Siegel »datenschutzkonform« gegeben. Allerdings: Die Daten aus der Luca-App werden von den Gesundheitsämtern nicht so verwendet, wie sich das Sozialministerium das erhofft hat. Ich unterstütze es, jetzt eine Sicherheitsüberprüfung durchzuführen. Aber Luca ist inzwischen im Land der Standard. Diesen im Frühjahr abzuschaffen, wenn wir noch nicht wissen können, wie dann das Infektionsgeschehen ist, halte ich für einen Fehler.
- Rudi Fischer, FDP
Die Lizenz für die Luca-App sollte nicht verlängert werden. Es gibt immer noch sicherheits- und datenschutzrechtliche Probleme. Die aus Steuergeldern finanzierte Corona-Warn-App enthält auch eine Check-in-Funktion und kann ohne neuerlichen finanziellen Mehraufwand für die Kontaktnachverfolgung genutzt werden. Auch werden auf diese Weise nur einmal Daten erfasst und übertragen.
Die Luca-App wird durch die Beteiligung baden-württembergischer Prominenter als »aus dem Ländle« betrachtet. Das macht sie für die Bürgerinnen und Bürger emotional wertvoll. Ich halte es aber nicht für gerechtfertigt, dafür Steuergelder auszugeben. Es gibt andere, günstigere Optionen. Zudem nutzen die Gesundheitsämter die Daten der Luca-App überhaupt nicht.
Der GEA hat auch beim AfD-Abgeordneten Joachim Steyer aus dem Wahlkreis Münsingen-Hechingen nachgefragt. Steyer hat auf diese Anfrage nicht nur nicht geantwortet, er hat darauf gar nicht reagiert und etwa erklärt, weshalb er sich zu diesem Thema nicht äußern will. Diese Erfahrung hat der GEA bei Anfragen an die AfD zuletzt immer wieder gemacht.
- Fritz Engelhardt, Dehoga
»Sollte sich das Land hier eine andere Strategie überlegen, dann werden wir diese wohl im Sinne der Sache begleiten und unterstützen«, erklärte der Dehoga-Landeschef gegenüber dem GEA. Er verwies aber auch auf den enormen organisatorischen Aufwand, der beim Wechsel auf eine andere App für Verband und die Gastronomen entstehen würde. Engelhardt betonte auch, dass »die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben zufrieden mit dem Handling der App sind«. Er prangerte die »Symbol-Politik auf Kosten unseres Gewerbes an« und forderte die Politik auf, endlich klare Aussagen zu machen, »wann Schluss ist mit den freiheitsbeschränkenden, wirtschaftlich belastenden Auflagen«. Schließlich gebe es immer noch keine Hinweise, dass Restaurants und Kneipen als Treiber der Pandemie fungierten. Engelhardt: »Wir wollen kein Datum, aber klare Angaben, ab welcher Impf- und Genesenen-Quote Schluss ist mit den Einschränkungen.« (GEA)