STUTTGART. Erst kamen die Ratten, dann Corona und schließlich ein Wasserschaden, wieder mal: Das setzte nicht nur den Beständen, sondern auch der Gebäudesubstanz der Unibibliothek zu. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Einrichtung der Uni Stuttgart in der Stadtmitte für Besucher geschlossen, nur eine eingeschränkte Abholung und Rückgabe wird noch angeboten.
Während drinnen ein wenig saniert wird, schmiedet der Stuttgarter Unirektor Wolfram Ressel weitreichende Pläne für eine städtebauliche Neuordnung des gesamten Areals rund um den Stadtgarten für ein zukunftsträchtiges »Wissenschaftszentrum Stadtmitte«. Ob da noch Platz ist für die erst seit drei Jahren denkmalgeschützte Unibibliothek, sei offen.
»Es soll eine Bibliothek für alle drei Einrichtungen werden«
Die Unibibliothek solle künftig nicht nur eine Einrichtung für die Uni Stuttgart sein, sondern für »das Wissenschaftszentrum Stadtmitte«, sagt Ressel – und schließt ausdrücklich die Hochschule für Technik (HFT) und die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart (DHBW) als Nachbarn ein. »Es soll eine Bibliothek für alle drei Einrichtungen werden – unter der Führung der Uni Stuttgart, weil wir die größte sind«, so Ressel.
Neben der Bibliothek wolle man auch einen Veranstaltungsraum – »für das Wissenschaftszentrum, aber auch für die Stadtgesellschaft, für Ausstellungen, Kongresse, das gesamte gesellschaftliche Leben«, erläutert der Unirektor. »Da reicht ja die alte Bibliothek nicht aus.« Deshalb hätte Ressel gern einen Neubau.
Im Zuge einer städtebaulichen Neuordnung sei auch zu überlegen, wie man diese umfassendere Nutzung, gerne auch mit einem Restaurant, in die Neugestaltung anderer, sanierungsbedürftiger Bauten in diesem Areal zusammenführen könne. Ressel nennt das Hörsaalprovisorium, aber auch den Bau an der Breitscheidstraße sowie die Flüchtlingsbauten daneben. Und: Ihm schwebt eine durchgehende Fußgängermeile vom Hauptbahnhof über Stadtgarten und Hoppenlaufriedhof bis zum DHBW-Neubau vor.
»Man könnte da eine sehr schicke, wissenschaftsgeleitete Einrichtung machen, das würde den Stadtgarten abrunden – eine einmalige Chance für die Stadtentwicklung«, so Ressel. »Ziel muss sein, dass wir da einen Bebauungsplan hinkriegen.« Also einen Gemeinderatsbeschluss. Da setzt Ressel auf Grünen-Fraktionschef Andreas Winter, der seinerseits ein Konzerthaus voranbringen will – im selben Areal, gern als gemeinsame Aktion.
Beispielhafte Nachkriegsarchitektur steht seit 2018 unter Denkmalschutz. Der Architekt Hans Volkart, der auch Professor für Gebäudelehre und Entwerfen an der damaligen Technischen Hochschule war, hat sie 1961 gebaut: Nur zwölf Meter hoch, Flachdach, mit großen Fensterflächen transparent nach außen und mit flexibler Gestaltung innen, die damals übliche Trennung von Lesesaal und Büchermagazin wurde aufgehoben, eine Neuheit in den 60ern. Und die Architektur ist beispielhaft für die deutsche Nachkriegsmoderne – und wurde deshalb unter Denkmalschutz gestellt.
Doch was hilft das, wenn die Wassereinläufe am Dach defekt sind, die Toiletten marode und das Datennetz nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist? Der bereits vor zehn Jahren von der Uni gestellte Antrag für eine Generalsanierung wurde nicht verfolgt, da man damals auf ein Gesamtkonzept setzte, das nicht konkretisiert wurde.
»Wir reparieren die Bibliothek«, sagt Carmen Zinnecker-Busch jetzt, die seit Mai dieses Jahres das Unibauamt leitet. Dach, WC, Datennetz. Und: »Die Uni bestimmt, wie sie ihre Bibliothek organisiert und was sie dort braucht – wir unterstützen nur konzeptionell und planerisch.« Eines aber ist für Zinnecker-Busch klar: »Natürlich werden wir dieses Gebäude erhalten.«
Ressel hingegen macht die Erhaltung des Gebäudes der Unibibliothek von dessen Wirtschaftlichkeit abhängig: »Auch ein Baudenkmal muss sich wirtschaftlich rechnen.« Und die Bibliothek sei doch »ziemlich kaputt – sowohl technisch als auch von der Bausubstanz«. Man müsse da »eine Gesamtschau machen«, so Ressel im Blick auf seine Erweiterungswünsche.
Die Idee der Unibibliothek hingegen ist, das Bestandsgebäude mit einem Erweiterungsbau zu koppeln, wie deren Vizechef Markus Malo erklärt. Und ein solcher Anbau müsse »mindestens noch mal dieselbe Fläche bieten«, also 8 500 Quadratmeter. Dann könne man »eine sinnvolle Einheit schaffen, die die Literatur- und Informationsversorgung der drei Hochschulen verbessert – sowohl im elektronischen Bereich mit der Lizenzproblematik als auch bei der gedruckten Literatur«, meint Malo. Bei den drei Hochschulen gebe es fachlich große Überschneidungen und bei der Uni und der Hochschule für Technik auch wissenschaftliche Sammlungen, die es aufzuarbeiten und auszustellen gelte. Da gebe es »verborgene Schätze, die an den Instituten schlummern, zu wecken«, so Malo. (dpa)