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Urteil im Streit um Vorzimmer-Posten im Tübinger Rathaus

Fakten, Vermutungen und vor allem Emotionen gab es im Gerichtssaal: Hat eine frühere Liebesbeziehung des Tübinger Oberbürgermeister eine Stellenvergabe im Rathaus beeinflusst? Nein, urteilte das Gericht.

Rathaus Tübingen
Das Tübinger Rathaus. Foto: Christoph Schmidt
Das Tübinger Rathaus.
Foto: Christoph Schmidt

Kein Schmerzensgeld und auch kein Schadenersatz für eine Frau, die gegen die Stadtverwaltung Tübingen vor Gericht gezogen war, weil sie eine Stelle nicht erhalten hatte. Das Arbeitsgericht Reutlingen wies die Klage am Donnerstag ab (Aktenzeichen 1 Ca 268/22). Die Klägerin hatte argumentiert, einen Posten im Vorzimmer von Oberbürgermeister Boris Palmer deshalb nicht bekommen zu haben, weil sie im Bewerbungsgespräch angegeben hatte, früher eine Liebesbeziehung mit ihm gehabt zu haben. Das Gericht hingegen entschied, dass die Klägerin nicht dargelegt hätte, die am besten geeignete Bewerberin für die Stelle gewesen zu sein.

Für die Klägerin und ihren Rechtsanwalt hingegen schien es klar, dass die frühere Beziehung zum OB ausschlaggebend für die Personalentscheidung war. »Machtmissbrauch« müsse sie weder im Beruflichen noch im Privaten ertragen, führte die sichtlich getroffen Frau aus. Palmer sei im Hinblick auf ihre Bewerbung befangen gewesen und gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch erschienen. Sie selbst jedoch habe sich loyal gezeigt, indem sie die einstige Beziehung beim Bewerbungsgespräch offen zur Sprache gebracht habe.

Der Rechtsanwalt der Tübinger Stadtverwaltung hingegen verwies darauf, dass diese mögliche Beziehung für den Fall überhaupt nicht relevant sei. Vielmehr habe es eine Vielzahl von Bewerbungen gegeben und die am besten qualifizierte Kandidatin habe sich durchgesetzt.

So sah es auch das Gericht: Weil sie nicht dargelegt habe, dass sie die beste Bewerberin für die Stelle gewesen sei, bestehe kein Anspruch auf Schadenersatz. Außerdem habe sich aus dem Vortrag der Klägerin auch nicht ergeben, dass sie durch die Absage der Stadt in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt worden sei. So stehe ihr auch kein Schmerzensgeld zu.

Den Vorschlag der Richterin, sich gütlich zu einigen, lehnte die Stadtverwaltung ab. Seit dem letzten Gerichtstermin im vergangenen November hatte die Frau, die bereits Mitarbeiterin der Stadt Tübingen und derzeit in Elternzeit ist, eine Abmahnung erhalten. Sie habe OB Palmer per Mail gedroht, private Nachrichten aus der einstigen Beziehung öffentlich zu machen, was Erpressung oder Nötigung gleichkomme, begründete der Rechtsanwalt der Stadt die Abmahnung. Entsprechend könne man dem Vorschlag der Richterin zur gütlichen Einigung nicht zustimmen: Die Kammer hatte vorgeschlagen, die Klägerin könne ihre Klage zurückziehen und die Stadt im Gegenzug die Abmahnung aus der Personalakte streichen, so dass wieder Ruhe ins Arbeitsverhältnis einkehre.

Das Gericht lehnte den Antrag der Klägerin ab, die Stadt solle die Abmahnung zurücknehmen - diese sei zu Recht erteilt worden. Nach der Verhandlung sagte die Frau, sie werde im aktuellen Fall keine Berufung einlegen, überlege aber, wegen Verleumdung rechtliche Schritte gegen die Abmahnung zu unternehmen.

© dpa-infocom, dpa:230126-99-368305/3