STUTTGART. Der junge Mann wirft einen kurzen Blick nach rechts auf den hüfthohen Impfscanner, der vor dem Eingang zum Hörsaal steht. Dann widmet er sich wieder seinem Handy, bis sich der nächste Student mit Uni-Ausweis und integriertem Impfnachweis für die Vorlesung eincheckt. »Das läuft bei uns, das ist kein Thema mehr«, sagt er zwischen dem einen und dem nächsten Studenten. »Es kommt auch niemand, der nicht geimpft ist«.
Nicht nur an der Uni Karlsruhe hat sich das von der Corona-Verordnung vorgeschriebene System der Vollkontrollen etabliert. Auch in Stuttgart, Mannheim und Tübingen ist bereits vor der Winterpause vor Räumen und Hörsälen geprüft und gescannt worden. Die Methoden ähneln sich, aber jede Hochschule hat auch ihren eigenen Weg gefunden, die Vorgaben des Landes umzusetzen.
Allerdings sind die Corona-Kontrollen nicht umsonst. Deshalb will die Landesregierung den Hochschulen im Südwesten erneut mit einer Finanzierung in Millionenhöhe aushelfen. »Wir sehen jetzt, dass trotz der hohen Impfquote viel personeller Aufwand zu betreiben ist, zum Teil mit Firmen, die von außen engagiert werden, zum Teil auch mit studentischen Aushilfskräften, die die Hochschulen einstellen«, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur.
Das Land habe zu Beginn des Wintersemesters nicht mit solchen Kontrollen rechnen können. »Jetzt sieht das angesichts der Wucht der vierten Welle leider anders aus und die Hochschulen tragen dem Rechnung.« Derzeit werde dort der zusätzliche Bedarf für diese sogenannten Vollkontrollen berechnet. Das Geld will das Land aus der Risikorücklage ziehen.
Die nach einem Gerichtsurteil angepasste Corona-Verordnung wirkt sich allerdings zunächst nicht weiter auf den Pandemie-Alltag in den Hörsälen aus. »Im Hinblick auf 2G in Lehrveranstaltungen wird sich an der Universität nicht viel ändern«, sagte Karl Rijkhoek, Sprecher der Tübinger Eberhard Karls Universität. »Studierende, die nicht immunisiert sind, dürfen weiterhin nicht teilnehmen.« Natürlich werde versucht, Alternativen für Studierende zu finden, die nicht geimpft sind oder sich in Quarantäne befinden, die Probleme mit der Betreuung ihrer Kinder haben oder wegen schwerer Vorerkrankungen Menschenansammlungen meiden müssten.
An der Universität Mannheim können Studierende mit einem »Hörsaal-Pass« an der Präsenzlehre teilnehmen oder an freien Lernplätzen arbeiten. Im »Hörsaalpass-Zentrum« werden diese Nachweise auf ihre Gültigkeit geprüft, wie Uni-Sprecherin Maartje Koschorreck sagt. Kontrolliert werden die Pässe schließlich über ein Portal, in dem sich die Studierenden einchecken. Es zeigt den Lehrenden zu Beginn einer Veranstaltung an, ob alle Anwesenden einen solchen Pass besitzen. Bislang mit Erfolg: »Bei den Kontrollen hatten im Schnitt etwa 3 von 1000 Studierenden keinen Nachweis dabei«, sagt Koschorrek. »Er war in der Regel zu Hause vergessen worden und konnte kurzfristig im Hörsaalpass-Zentrum ausgestellt werden.«
Auf ein ähnliches System baut die Universität Hohenheim in Stuttgart mit dem »Hohenheimer Health Pass«, einer laminierten Papierkarte mit Namen, Gültigkeitsdauer und Martikelnummer. Sie muss vor den Lehrveranstaltungen bei den Hygienehelferinnen und -helfern vorgezeigt werden, sagt Corinna Schmid von der Pressestelle der Uni. Ihren Impf- oder auch Genesenen-Nachweis müssen Studierende nur beim Ausstellen des Passes vorzeigen. »Das spart Zeit bei den Einlasskontrollen«, sagt Schmid. Studentische Aushilfen kontrollieren pro Woche bei mindestens fünf Prozent aller Studierenden und Lehrenden von Präsenzveranstaltungen stichprobenartig die Pässe. Die Uni geht von beträchtlichen Personalkosten für die Aushilfen und hohen Sachkosten aus.
Einen anderen Weg geht die Tübinger Universität. »Die Kontrollen finden teils analog, also durch Inaugenscheinnahme von Impf- oder, Genesenennachweisen, teils digital durch das Abscannen von entsprechenden QR-Codes statt«, erklärt Sprecher Rijkhoek. »Dies bleibt den Lehrenden überlassen.« Es gebe keine einheitliche Regelung, ob im Hörsaal oder vor dem Hörsaal kontrolliert werde.
Das System sei nicht zuletzt wegen einer Impfquote von 95 Prozent bei den Studierenden zwar sicher, sagt Rijkhoek, der die Stabsstelle Hochschulkommunikation der Eberhard Karls Universität leitet. Allerdings bröckele der Präsenzanteil in vielen Fächern allmählich. Es werde zunehmend auf die Online-Lehre ausgewichen, weil die Herausforderungen bei der Organisation der Vollkontrolle zu stark und die Infektionszahlen in der Gesellschaft zu hoch seien. (dpa)