STUTTGART. Behörden im Südwesten setzen zunehmend auf die Bundeswehr im Kampf gegen das Coronavirus - 136 Soldaten unterstützen derzeit Gesundheitsämter, um Kontakte nachzuverfolgen. In den nächsten Tagen folgen weitere und insgesamt könnten 266 Mitarbeiter der Wehr zum Einsatz kommen, sagte Oberstleutnant Markus Kirchenbauer vom Landeskommando Baden-Württemberg am Mittwoch in Stuttgart.
Nach Stuttgart hat das Landeskommando bislang 60 Soldaten des Jägerbataillons 292 aus Donaueschingen entsendet, daneben werden 40 Mitarbeiter aus anderen städtischen Einrichtungen dem Gesundheitsamt der Landeshauptstadt zugeordnet. Die neu auserkorenen Gesundheitsbeamten kontaktieren Corona-Infizierte und Kontaktpersonen - außerdem helfen sie dabei, Daten zu verarbeiten.
Infanterie-Soldatin Daniela übt sonst bei Truppenübungen im Wald, jetzt sitzt sie in einem ausgemusterten Büro mit verwaisten Aktenschränken und einem weitgehend leeren Schreibtisch, auf dem nur ein paar Notizen herumliegen und ein Computer sowie ein Telefon herumstehen. Damit teilt sie infizierten Menschen das positive Testergebnis mit. Manchmal hören Menschen von ihr zum ersten Mal von ihrer Infektion. Einige seien geschockt, andere wüssten bereits über das positive Ergebnis Bescheid.
»Es ist nicht schön wenn man solche Nachrichten überbringen muss, aber es gehört dazu«, sagt die Soldatin. Pro Tag führt die 20-Jährige manchmal 20 bis 30 solcher Anrufe. Am Telefon gibt sie den Betroffenen auch Hinweise für weitere Schritte. Daniela mag die Abwechslung und ihre Aufgabe: »Ich weiß, dass ich Menschen helfen kann und das macht Freude.«
Die meisten Soldaten helfen in Stuttgart, gefolgt von Esslingen mit 15. Im Corona-Testzentrum Balingen und im Gesundheitsamt Hechingen sind fünf Soldaten tätig, die überdies auch Patienten aufklären und Abstriche vornehmen. Zu Beginn der Pandemie im März hatten Soldaten nach Angaben des Oberstleutnants Kirchenbauer vor allem Kliniken unterstützt.
Jeweils bis zu zehn Soldaten sind in den Kreisen Enz, Breisgau-Hochschwarzwald, Heilbronn, Reutlingen und Ortenau in ähnlicher Mission unterwegs. Ab sofort und in den kommenden Tagen greifen auch Soldaten Gesundheitsämtern aus Heidelberg (10 Soldaten), Karlsruhe (10), Heilbronn Stadt (4), Mannheim (30) und der Neckar-Odenwald-Kreis (5) unter die Arme. Angefragt haben auch Calw, Ludwigsburg sowie der Main-Tauber- und der Ostalbkreis.
»In Kreisen mit starkem Anstieg der Fallzahlen oder größeren Ausbruchsgeschehen gelingt die Nachverfolgung nur unter Einsatz aller Kräfte bis hin zu Einsätzen der Bundeswehr«, teilte ein Sprecher des Sozialministeriums mit. Zudem sei es möglich, dass »in der Reaktionsphase einige Tage nicht alle Kontaktpersonen nachverfolgt werden können.«
Probleme bereitet die Personalausstattung der Gesundheitsämter vor allem in den sogenannten Hotspots. So ist etwa das Gesundheitsamt des Landkreises Heilbronn »am Anschlag«, wie Sprecher Manfred Körner sagte. Die Verfolgung der Kontakte von Corona-Infizierten gelinge nicht mehr in allen Fällen zeitnah. Manches werde aus Mangel an Kapazitäten gar nicht mehr nachverfolgt.
Rund 50 Mitarbeiter sind beim Landkreis in der Kontaktverfolgung tätig, seit Kurzem auch Bundeswehrsoldaten. Doch diese müssten erst eingearbeitet werden, auch wenn ihre Hilfe im Prinzip sofort benötigt würde, sagte Körner. Für weitere Unterstützung hat der Landkreis auch Stellen für die Kontaktverfolgung ausgeschrieben. »Es hat sich aber niemand gemeldet«, sagte Körner. Der Job sei schließlich stressig. (dpa)