STUTTGART. Vorsichtig schauen die Quokkas aus den Transportboxen in ihr neues Zuhause im Stuttgarter Zoo. Nach dem Langstreckenflug aus Australien dürften die kleinen Kängurus sehr müde sein. Trotzdem lassen sie es sich nicht nehmen, das neue Gehege in der »Terra Australis« ausgiebig zu erkunden und zu beschnuppern.
Die Szenen, die sich am vergangenen Mittwochabend in der Wilhelma abspielten, sind einzigartig, denn seit den 90er Jahren wurden die bedrohten Beuteltiere nicht mehr in europäischen Zoos gehalten, wie Direktor Thomas Kölpin mitteilt. Weltweit gebe es die Tiere nur in drei Zoos außerhalb Australiens. »Wir wollen hier eine Zuchtgruppe aufbauen und hoffen auch irgendwann Tiere an andere Zoos in Europa abgeben zu können«, sagt Kölpin.
Grinsen nicht vermenschlichen
Bekannt sind Quokkas für ihr dauerhaftes Grinsen. Unter anderem deshalb gelten sie auch als die fröhlichsten Tiere der Welt. »Auch wenn ein Quokka traurig ist, grinst es trotzdem noch«, beschreibt der Direktor. Doch das dürfe man nicht vermenschlichen. Dennoch wurden die Beuteltiere zum Internet-Hit. Das »Selfie mit dem Quokka« ging um die Welt. Bei diesem Trend versuchen Quokka-Begeisterte, ein Selfie mit dem lächelnden Beuteltier zu bekommen.
Die drei Quokkas der Wilhelma kommen aus dem Featherdale Wildlife Park in Sydney und sind auch dort geboren. Das Männchen heißt Prince Will und kam 2017 zur Welt. Die zwei Weibchen sind etwas jünger. Die jüngste im Bunde heißt Pistachio. Das dritte Tier hat noch keinen Namen.
Kylie Zaia vom australischen Tierpark kennt die drei Quokkas seit deren Geburt. Sie begleitete die Beuteltiere nach Stuttgart und half bei der Eingewöhnung. Schon sechs Monate vor der Abreise aus Australien hatte sie die drei Tiere als Gruppe zusammengestellt, um sicherzugehen, dass diese sich verstehen.
Klimakrise und Brände bedrohen die Tiere in Australien
Quokkas kommen ursprünglich aus dem Westen Australiens. Doch die Tiere seien bedroht, sagt Zaia. Der Bestand gehe vor allem auf dem Festland zurück. Denn dort gebe es viele Fressfeinde - zum Beispiel Füchse und Katzen. Anders sei das auf der Insel Rottnest Island. Denn hier gibt es laut der Tierpflegerin keine Fressfeinde. Die Population sei stabil. Doch auf der Insel sei die genetische Vielfalt der Tiere eingeschränkt.
Auch die Klimakrise mit Dürren und Bränden setzt den kleinen BeuAdobeStock_568419816teltieren zu, wie Anne Hanschke, Artenschutz-Expertin der Organisation World Wildlife Fund (WWF) Deutschland, mitteilt. »Ein niedliches Lächeln und Beliebtheit in den sozialen Medien allein schützen leider nicht vor dem Aussterben«, sagt sie. Um den Tieren zu helfen, müsse man ihre Lebensräume erhalten, die Bestände von invasiven Arten kontrollieren und die Folgen der Klimakrise abmildern.
An Rottnest Island sei auch das Quokka-Gehege im Stuttgarter Zoo angelehnt, erklärt Volker Grün, Fachbereichsleiter Zoologie der Wilhelma. Zwischen weißlichen Felsen und eingepflanzten Kiefern sollen sich die Quokkas wie zuhause fühlen. Die Beuteltiere ernähren sich laut Grün hauptsächlich von Gemüse, Gras und Heu. Darüber hinaus würden sie aber auch Erdnüsse und Süßkartoffeln lieben.
Die meiste Zeit des Tages würden Quokkas mit der Nahrungssuche verbringen, erklärt die australische Tierpflegerin. Den Nachmittag verschliefen die Tiere meist, beschreibt sie. Quokkas hätten die Angewohnheit, mit dem Kopf zwischen den Beinen zu schlafen. Das sehe lustig aus, sagt Zaia lachend. Aber so würden die Tiere das eben mögen.
Quokkas und Koalas als Highlights der Terra Australis
Quokkas seien relativ gut an trockene Lebensräume angepasst, erklärt Hanschke. Die Tiere würden Fett in ihrem Schwanz speichern, um nahrungsarme Zeiten zu überbrücken. Bei Trockenheit fressen sie laut WWF-Expertin unter anderem Sukkulenten. Denn die Pflanzen speichern Wasser. Zudem könnten die kleinen Kängurus auf Bäume klettern, um Blätter zu erreichen, hieß es.
Die Quokkas sollen neben den vier Koalas ein weiteres Highlight im neuen Australienhaus der Wilhelma sein. Bis zur Eröffnung der sogenannten Terra Australis hatte der Stuttgarter Zoo die kleinen Kängurus geheim gehalten. Elf Arten sind dem Zoo zufolge in der neuen Anlage zu sehen - darunter Bürstenschwanz-Rattenkängurus, Fuchskusus und Kurzkopfgleitbeutler.
Rund vier Jahre lang hat die Wilhelma nach eigenen Angaben das ehemalige Menschenaffenhaus aus den 70er Jahren zur »Terra Australis« umgebaut. Die neue Anlage soll den natürlichen Lebensraum der gezeigten Arten widerspiegeln.
Im nächsten Jahr erwartet der Stuttgarter Zoo noch eine zweite Gruppe Quokkas, verrät Direktor Kölpin. So wolle man einen Zuchtstock entwickeln. (dpa)