STUTTGART. Die baden-württembergische Landesregierung treibt ihre Pläne für weitere Lockerungen der Corona-Auflagen voran. Es zeichnet sich ab, dass unmittelbar nach dem Bund-Länder-Treffen die Grenzwerte innerhalb des Stufensystems angepasst werden.
Am Montag werden Experten in einer Anhörung des Landes einen Vorschlag machen – zwei Tage vor der Ministerpräsidentenkonferenz zur weiteren Corona-Strategie. Das könnte bedeuten, dass der Südwesten demnächst aus der Alarmstufe zurück in die Warnstufe kommen würde, wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr. In der Warnstufe gelten in den meisten Lebensbereichen nur noch die 3G-Regeln.
Kritischer Faktor
Bei der Schalte des Sozialministeriums mit Virologen und Klinikexperten, die um vier Tage vorgezogen wurde, soll vor allem geklärt werden, was die Normalstationen der Krankenhäuser verkraften können. Denn wegen der milderen Verläufe der Omikron-Virusvariante kommen die meisten Patienten nicht mehr auf die Intensivstation. Da die Kapazitäten als ausreichend eingeschätzt werden, könnten die Grenzwerte deutlich hochgesetzt werden. Als kritischen Faktor sieht das Land nun, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen wegen einer Quarantäne ausfallen könnten. Deswegen werden hier nun die Regeln für die Isolation gelockert.
Auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) stellte für die Bund-Länder-Runde erste Lockerungen der Corona-Maßnahmen in Aussicht. Die Prognosen der Experten zeigten, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle in Sicht sei. »Das erlaubt uns, beim Bund-Länder-Treffen nächste Woche einen ersten Öffnungsschritt und dann weitere für das Frühjahr in den Blick zu nehmen.« Man werde sich dabei wie bisher von wissenschaftlichen Expertisen leiten lassen, betonte der Kanzler. »Denn wir wollen unseren Erfolg jetzt nicht aufs Spiel setzen.«
Der Epidemiologe des Landesgesundheitsamts, Stefan Brockmann, rechnet mit einem Ende von regelmäßigen Corona-Tests und der Isolation von Infizierten noch in diesem Frühjahr. Man werde nach Ende der Wintersaison wahrscheinlich wirklich eine neue Lage haben, sagte Brockmann am Donnerstagabend in der Sendung »Zur Sache Baden-Württemberg« im SWR-Fernsehen. »Wir werden das routinemäßige Testen einstellen.« Man werde getestet, wenn man krank sei, und man bleibe zu Hause, wenn man krank sei. Zudem werde man natürlich versuchen, Isolation und Absonderung abzuschaffen und wieder in ein normales Leben zurückzukommen. »Und dann werden wir uns sehr strecken müssen und schauen müssen, wie wir unsere Impfquoten verbessern, damit wir für den nächsten Herbst gut durchgeimpft sind.«
Anpassung des Stufensystems
Bei der zunächst geplanten Anpassung des Stufensystems dürfte es vor allem darum gehen, die Grenzwerte für die landesweite Hospitalisierungsinzidenz umzustellen. Sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche pro 100 000 Einwohner in Krankenhäuser gebracht werden. Derzeit muss das Land schon bei einem Wert von 3,0 die Alarmstufe ausrufen, die auch zurzeit im Südwesten gilt. Bei öffentlichen Veranstaltungen sind zum Beispiel nur Geimpfte oder Genesene zugelassen. Wird der Grenzwert angehoben, wäre womöglich eine Rückkehr in die Warnstufe denkbar.
Engpass vermeiden
Zugleich trifft die grün-schwarze Landesregierung Vorkehrungen für den Fall, dass wichtige Beschäftigte in der kritischen Infrastruktur wegen der schnellen Verbreitung von Omikron ausfallen. Wie Sozial- und Innenministerium bestätigten, sollen Menschen auf Schlüsselpositionen zurückgeholt werden können, auch wenn sie als enge Kontaktpersonen oder Haushaltsangehörige von Corona-Infizierten eigentlich in Quarantäne bleiben müssten. Sie selbst dürfen aber nicht infiziert sein. Absondern müssen sich im Fall eines Corona-Falls im engeren Umfeld aber schon jetzt nur ungeimpfte Beschäftigte oder solche, deren zweite Impfung schon länger als drei Monate her ist.
Die Ministerien kündigten an, dass die Regeln auch auf infizierte Beschäftigte ausgeweitet werden könnten, sollte sich die Personallage in den Betrieben der kritischen Infrastruktur verschlechtern. »Krankenhäuser, Pflegeheime und weitere wichtige Strukturen müssen handlungsfähig bleiben«, so Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Innenminister Thomas Strobl (CDU): »Wir müssen dafür sorgen, dass wir den Druck der Omikron-Welle für kritische Infrastrukturen bestmöglich abfedern.« (dpa)