REUTLINGEN. In den letzten Wochen ist die Anerkennung für das Krisenmanagement der Politik auf Bundes- wie auf Länderebene gesunken. Auf Bundesebene überwiegt mittlerweile sogar die Kritik am Krisenmanagement der Regierung. In Baden-Württemberg fällt die Bilanz der Bürger zurzeit noch positiver aus. Immerhin 54 Prozent attestieren der Landesregierung gute oder sogar sehr gute Arbeit, 37 Prozent äußern sich kritisch. Während quer durch alle Altersgruppen die Anerkennung für das Krisenmanagement der Landesregierung überwiegt, fällt das Urteil der sozialen Schichten teilweise auseinander. Während die höheren Bildungsschichten überdurchschnittlich eine positive Bilanz ziehen, üben die einfachen Bildungsschichten, die oft auch überdurchschnittlich von den Kollateralschäden der Pandemie betroffen sind, überdurchschnittlich Kritik. Auch die Eltern schulpflichtiger Kinder sind tendenziell weniger zufrieden als der Durchschnitt der Bevölkerung. So attestieren knapp 50 Prozent der Eltern der Landesregierung gute oder sehr gute Arbeit bei der Bekämpfung der Pandemie, während sich 45 Prozent kritisch äußern.
Überwiegend Anerkennung für das Krisenmanagement, aber viel Kritik an Effizienzmängeln des Staates
Während das Krisenmanagement der Landesregierung überwiegend positiv beurteilt wird, hat die große Mehrheit gleichzeitig den Eindruck, dass die Effizienz des staatlichen Bereichs zu wünschen übrig lässt und dass sich dies gerade in der Pandemie bemerkbar macht. So haben mehr als zwei Drittel der Bürger den Eindruck, dass es sowohl beim Digitalunterricht an den Schulen Probleme gibt wie auch bei der Auszahlung der Wirtschaftshilfen. 65 Prozent kritisieren auch die Organisation der Impftermine, knapp die Hälfte darüber hinaus die Erreichbarkeit von Ämtern und Behörden. Noch am wenigsten Probleme verortet die Bevölkerung bei der Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern und bei der Betreuung in den Kinderbetreuungseinrichtungen.
Untersuchungen auf Bundesebene zeigen ein ähnliches Bild. Die große Mehrheit sieht erhebliche Defizite bei der Digitalisierung der staatlichen Bereiche und bei der operativen Umsetzung wesentlicher Aufgaben, die sich im Zuge der Pandemie stellen, Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement sei es die Aufrechterhaltung eines qualifizierten Unterrichts, sei es die wirksame und rasche Unterstützung der Wirtschaft oder auch die Organisation der Impfkampagne. Auf Bundesebene zieht auch die Mehrheit der Bevölkerung die Bilanz, dass ihrem Eindruck nach Ämter und Behörden zurzeit nur eingeschränkt einsatzfähig sind.
Gleichzeitig hat die Mehrheit der Bevölkerung jedoch den Eindruck, dass es keine Anlaufstelle für Kritik und Anregungen zur Corona-Politik gibt. Lediglich 19 Prozent der Bürger sind überzeugt, dass es für die Bürger Anlaufstellen für Kritik und Anregungen gibt; 50 Prozent ziehen dagegen die ernüchternde Bilanz, dass man als Bürger in dieser Situation ohnmächtig ist. Überdurchschnittlich haben Eltern diesen Eindruck und vor allem diejenigen, die Anlass zur Kritik sehen. So sehen 73 Prozent derjenigen, die mit dem Krisenmanagement der Landesregierung zurzeit unzufrieden sind, keine Möglichkeit, sich als Bürger mit Kritik und Anregungen einzubringen.
Im Zusammenhang mit den staatlichen Ausgaben zur Begrenzung der ökonomischen Kollateralschäden der Krise wird auch die in den Landesverfassungen festgeschriebene Schuldenbremse kontrovers diskutiert. In Baden-Württemberg gibt es in der Bevölkerung eine breite Mehrheit für die Beibehaltung der Schuldenbremse. Da die geltende Regelung ohnehin vorsieht, dass das Land in Notsituationen vorübergehend neue Schulden aufnehmen darf, sehen 60 Prozent keinen Anlass, die Schuldenbremse generell zur Disposition zu stellen. Lediglich 17 Prozent plädieren für die Abschaffung der Schuldenbremse, knapp ein Viertel der Bevölkerung traut sich bei dieser
Frage kein Urteil zu. Frauen sprechen sich mehr als Männer für die Beibehaltung der Schuldenbremse aus, die 60-Jährigen und Älteren mehr als die Generation ihrer Kinder und Enkel. Auch bei den unter 30-Jährigen plädieren jedoch 57 Prozent für die Beibehaltung der Schuldenbremse, von den 45- bis 59-Jährigen 60 Prozent und von den 60-Jährigen und Älteren 65 Prozent.
Gemischte Gesamtbilanz der Landespolitik
Während das Krisenmanagement der grün-schwarzen Landesregierung bei der Mehrheit Anerkennung findet, fällt das Urteil über die Gesamtbilanz in dieser Legislaturperiode eher gemischt aus. Nur 32 Prozent der Bürger bewerten die Politik der grün-schwarzen Landesregierung in dieser Legislaturperiode als erfolgreich, 26 Prozent als nicht erfolgreich; ein hoher Anteil der Bürger traut sich kein Urteil zu. In Bezug auf das Krisenmanagement der Landesregierung hatten dagegen nur 9 Prozent der Bürger keine klare Vorstellung, wie die Leistungsbilanz der Regierung zu bewerten ist.
Die Zufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Landesregierung prägt jedoch auch in hohem Maße das Urteil über die Gesamtbilanz: Diejenigen, die mit dem Krisenmanagement der Landesregierung zufrieden sind, ziehen mehrheitlich auch eine positive Gesamtbilanz der Politik der Landesregierung in dieser Legislaturperiode, dagegen nur 7 Prozent der mit dem Krisenmanagement Unzufriedenen. Der hohe Anteil der Unentschiedenen, die sich kein Urteil über die Leistung der Landesregierung in dieser Legislaturperiode zutrauen, zeigt natürlich auch ein Problem, mit dem die Landespolitik generell zu kämpfen hat. Die Bundespolitik erreicht auf weitaus mehr Feldern die Aufmerksamkeit der Bürger als die Landespolitik, die oft nur selektiv an einzelnen Politikfeldern oder besonderen Herausforderungen wie der aktuellen Pandemie wahrgenommen wird. Die meisten Vorhaben und Beschlüsse einer Landesregierung sind den Bürgern in der Regel nicht bekannt, wie sich auch Landespolitiker schwertun, einen hohen Bekanntheitsgrad zu erreichen.
Dieses Wahrnehmungsproblem hat natürlich auch die Opposition in Landtagen in ganz ausgeprägtem Maße. Wenn die Bürger von Baden-Württemberg gefragt werden, welche der drei Oppositionsparteien in den vergangenen fünf Jahren am aktivsten war, trauen sich 30 Prozent kein Urteil zu und weitere 25 Prozent empfinden keine als besonders aktiv, wobei dieses Urteil wiederum in hohem Maße mit der begrenzten Aufmerksamkeit für Landespolitik zu tun hat. Diejenigen, die hier eine klare Vorstellung von der Aktivität der Opposition haben, empfinden mit Abstand die SPD als am aktivsten, gefolgt von der AfD: 25 Prozent der Bürger haben den Eindruck, dass die SPD in dieser Legislaturperiode besonders aktiv war, 11 Prozent stellen dieses Zeugnis der AfD aus, 9 Prozent der FDP. Die getrennte Analyse von Sympathisanten der Oppositionsparteien zeigt, dass AfD und SPD von der Mehrheit ihrer Sympathisanten eine aktive Oppositionsrolle zugeschrieben wird, der FDP dagegen nur von gut jedem Dritten.
Bekanntheitsgrad und Bewertung führender Landespolitiker
Auch der Bekanntheitsgrad führender Landespolitiker zeigt die Schwierigkeit, sich in der Landespolitik einen Namen zu machen. Neben dem Ministerpräsidenten gibt es in Baden-Württemberg wie auch in anderen Bundesländern in der Regel nur noch wenige Landespolitiker, die einen hohen Bekanntheitsgrad erreichen. Winfried Kretschmann führt einsam mit einem Bekanntheitsgrad von 92 Prozent; auf dem zweiten Rang liegt Susanne Eisenmann mit 63 Prozent, gefolgt von Thomas Strobl mit 59 Prozent.
Winfried Hermann, Andreas Stoch, Hans-Ulrich Rülke und Bernd Gögel sind dagegen nur einer Minderheit der Baden-Würtemberger ein Begriff. Noch am größten ist der Bekanntheitsgrad von Winfried Hermann, den knapp 4 von 10 Bürgern zumindest dem Namen nach kennen; Andreas Stoch ist 30 Prozent der Bürger ein Begriff, Hans-Ulrich Rülke 22 Prozent. Dabei unterscheidet sich der Bekanntheitsgrad der Landespolitiker in den verschiedenen Bildungsschichten. In den höheren Bildungsschichten ist der Bekanntheitsgrad der in die Untersuchung einbezogenen Politiker durchgängig höher. So ist Susanne Eisenmann 72 Prozent der höheren Bildungsschichten ein Begriff, Thomas Strobel 68 Prozent, Winfried Hermann 45 Prozent.
Nicht nur der Bekanntheitsgrad, auch die Popularitätswerte fallen teilweise deutlich auseinander. Diese Popularitätswerte können naturgemäß immer nur bei denen ermittelt werden, denen der jeweilige Politiker überhaupt ein Begriff ist. Auch hier erhält der amtierende Ministerpräsident mit Abstand das beste Zeugnis: 72 Prozent derjenigen, denen Winfried Kretschmann ein Begriff ist – und das ist in diesem Fall natürlich die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung – haben von ihm eine gute Meinung, nur 28 Prozent sehen ihn kritisch.
Von den übrigen Politikern erhält lediglich Andreas Stoch von der Mehrheit derjenigen, die ihn kennen, ein überwiegend positives Zeugnis: 55 Prozent derjenigen, die Andreas Stoch kennen – und dies sind 30 Prozent der Bürger insgesamt – haben von ihm eine gute Meinung, 45 Prozent bewerten ihn kritisch. Bei allen anderen Politikern überwiegen die kritischen Urteile; bei Winfried Hermann nur knapp, bei allen anderen deutlich. Das gilt insbesondere für Bernd Gögel, der von 73 Prozent derjenigen, die ihn kennen, kritisch bewertet wird und für Susanne Eisenmann: Sie wird von 32 Prozent derjenigen, denen sie ein Begriff ist, positiv bewertet, von gut zwei Dritteln kritisch.
Die aktuelle politische Agenda der Bürger für das Land
Die politische Agenda der Bürger ist zurzeit noch in hohem Maße von der Pandemie und ihren Kollateralschäden geprägt. Die Bekämpfung der Pandemie steht nach wie vor an der Spitze der politischen Agenda der Bevölkerung: 67 Prozent der Bürger rechnen es zu den wichtigsten Aufgaben, die Ausbreitung der Pandemie zu bekämpfen, 64 Prozent auch die finanzielle Unterstützung von Unternehmen und Selbständigen, die von der Krise betroffen sind, und 58 Prozent die Verbesserung der Digitalausstattung der Schulen. Damit sind unter den Top 5 der politischen Agenda der Bürger drei Anliegen, die unmittelbar mit der Pandemie zu tun haben.
Darüber hinaus messen die Bürger der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum große Bedeutung zu wie auch der flächendeckenden Bereitstellung von schnellem Internet und der Förderung von Umwelt- und Klimaschutz. 66 Prozent zählen es zu den wichtigsten Anliegen, in Baden-Württemberg für ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu sorgen; 54 Prozent halten es für die Zukunft des Landes für besonders wichtig, flächendeckend schnelles Internet bereitzustellen. Umwelt- und Klimaschutz zählen 52 Prozent zu den wichtigsten Aufgaben; dieses Ziel ist in den letzten 12 Monaten etwas zurückgetreten, aber keineswegs aus dem Bewusstsein der Bürger verschwunden. Es ist davon auszugehen, dass die Bürger Umwelt- und Klimaschutz wieder größere Bedeutung beimessen, sobald bei der Bekämpfung der Pandemie große Fortschritte erzielt werden. Am Ende der politischen Agenda der Bürger steht das Ziel einer effizienten Verwaltung, die Förderung junger Familien und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. 29 Prozent zählen die Modernisierung und Effizienzsteigerung bei der Verwaltung zu den wichtigsten Aufgaben, jeweils 36 Prozent die Förderung junger Familien und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Land.
Angesichts der pandemiebedingten wirtschaftlichen Probleme mag es auf den ersten Blick überraschen, dass die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der politischen Agenda relativ weit unten rangiert. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Arbeitslosigkeit zwar seit Ausbruch der Pandemie angestiegen ist, aber sich nach wie vor insbesondere durch die Kurzarbeiterregelungen in Grenzen hält. Die große Mehrheit der Bürger ist bisher wirtschaftlich von den ökonomischen Kollateralschäden nicht unmittelbar betroffen, wie auch eine frühere Bestandsaufnahme des Baden-Württemberg-Monitors zeigte.
Männer und Frauen setzen teilweise andere Prioritäten. So messen Frauen signifikant mehr als Männer der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum große Bedeutung bei wie auch einer verlässlichen Kinderbetreuung. Umgekehrt halten Männer die flächendeckende Versorgung mit schnellem Internet, gute Standortbedingungen für Unternehmen, die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, die Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts und von Innovationen sowie Effizienzsteigerungen der Verwaltung für wichtiger als Frauen.
Die Unterschiede sind hier teilweise bemerkenswert groß: So sind 45 Prozent der Männer überzeugt, dass eine gute Zukunft des Landes insbesondere auch von der Förderung des wissenschaftlichen Fortschritts und von Innovationen abhängt, dagegen nur 28 Prozent der Frauen. Effizienzsteigerungen in der Verwaltung halten 37 Prozent der Männer, aber nur 21 Prozent der Frauen für vordringlich, die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur 47 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen.
Gutes Zeugnis für die regionalen Tageszeitungen
Die regionalen Tageszeitungen sind nach wie vor für die Bürger eine wichtige Informationsquelle. 37 Prozent der Bürger lesen täglich oder fast täglich ihre regionale Tageszeitung, weitere 29 Prozent sporadisch. Lediglich 13 Prozent greifen nie zur regionalen Tageszeitung, um sich zu informieren. Dabei unterscheidet sich die Nutzung der verschiedenen Generationen gravierend; dies gilt generell für die Mediennutzung, die seit anderthalb Jahrzehnten ausgeprägt altersgebunden ist. Auch von den unter 30-Jährigen verzichten jedoch nur 12 Prozent völlig auf die Lektüre der Tageszeitung. Der Anteil der regelmäßigen Leser macht jedoch nur 15 Prozent aus, dagegen bei den 45- bis 59-Jährigen 41 Prozent und bei den 60-Jährigen und Älteren 55 Prozent. Das Alter beeinflusst die Mediennutzung weitaus stärker als der Bildungsabschluss oder das Geschlecht.
Diejenigen, die regelmäßig oder sporadisch ihre regionale Tageszeitung nutzen, stellen der Zeitung weit überwiegend ein gutes Zeugnis aus: 74 Prozent bewerten die Zeitung positiv, 15 Prozent mit sehr gut, 59 Prozent mit gut. Lediglich 17 Prozent äußern sich kritisch. Auch hier unterscheidet sich teilweise das Urteil der verschiedenen Generationen, allerdings weitaus weniger als die Regelmäßigkeit der Nutzung. Von den unter 30-jährigen Lesern bewerten 68 Prozent ihre Regionalzeitung positiv, von den 45- bis 59-Jährigen dagegen 77 Prozent und von den 60-Jährigen und Älteren 79 Prozent.
Die Entwicklung der Mediennutzung gehört zu den wichtigsten Veränderungen der letzten Jahrzehnte, deren Konsequenzen auch nicht annähernd analysiert sind. Trenduntersuchungen zeigen, dass keineswegs ein bloßer Substitutionsprozess stattfindet, bei dem insbesondere von Jüngeren vermehrt Informationen aus dem Netz bezogen werden und weniger aus Printmedien, sondern dass sich das Informationsverhalten generell entstetigt und Information immer stärker zufalls- und ereignisgetrieben erfolgt und gleichzeitig wesentlich selektiver, als das noch vor 10 und 20 Jahren der Fall war. (GEA)