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Aktuell Pandemie

Schulen im Land sollen über künftigen Unterricht selbst entscheiden

Das baden-württembergische Kultusministerium gibt Schulleitungen Spielraum, ob sie ganz oder teilweise in Distanzunterricht wechseln.

Maske, Abstand, Tests: Ob das in der Omikron-Welle reicht, um die Schulen offen zu halten, bleibt fraglich. Das baden-württember
Maske, Abstand, Tests: Ob das in der Omikron-Welle reicht, um die Schulen offen zu halten, bleibt fraglich. Das baden-württembergische Kultusministerium will durch mehr Flexibilität an Schulen einen generellen Schul-Lockdown verhindern. FOTO: PLEUL/DPA
Maske, Abstand, Tests: Ob das in der Omikron-Welle reicht, um die Schulen offen zu halten, bleibt fraglich. Das baden-württembergische Kultusministerium will durch mehr Flexibilität an Schulen einen generellen Schul-Lockdown verhindern. FOTO: PLEUL/DPA

STUTTGART. Die sich auftürmende Omikron-Welle schwebt wie ein Damoklesschwert über den Schulen. Wie soll es nach den Weihnachtsferien weitergehen, können die Schulen im Land bei in die Höhe schnellenden Inzidenzen überhaupt offen bleiben? Letzte Woche gab es für die Schulleitungen dazu Neuigkeiten aus dem baden-württembergischen Kultusministerium: Am Präsenzunterricht solle weiter festgehalten werden, hieß es darin. Um dies zu schaffen, müssten aber Vorbereitungen getroffen werden. Eine zentrale Neuerung: Den Schulleitungen wird mehr Eigenverantwortung bei den Corona-Maßnahmen zugestanden, sie sollen im Notfall selbst über Distanz-, Wechselunterricht oder eine Schließung der Schule entscheiden. Eine gute Entscheidung oder einfach nur die Abwälzung eines zentralen Problems an die Schulleitungen im Land? Der GEA hat bei verschiedenen Gremien nachgehakt.

- Wie will das Kultusministerium einen erneuten Schul-Lockdown verhindern?

Verschiedene Gremien hatten es schon länger gefordert, nun hat es Theresa Schopper (Grüne) Anfang Januar über ihren Ministerialdirektor Daniel Hager-Mann verkünden lassen: Die Schulleitungen im Land bekommen mehr Entscheidungsspielraum. Ganz genau bedeutet das: Schulleitungen können nun individuell reagieren, sollte sich die Corona-Lage bei ihnen vor Ort zuspitzen. Sollte also Präsenzunterricht durch die Infektionslage oder den Ausfall von Personal an einer Schule nicht mehr vollständig durchführbar sein, können Schulleitungen nun mit Zustimmung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde vorübergehend in den Distanz- oder Hybridunterricht wechseln. Dies ist sowohl für einzelne Klassen, Gruppen, wie auch für ganze Jahrgangsstufen, Bildungsgänge oder auch für eine ganze Schule möglich.

- Wie bewertet der Hechinger Schulleiter Roland Plehn die neue Maßnahme?

Der Vorsitzende der Interessenvertreter der beruflichen Schulleiter in Baden-Württemberg hatte zuletzt genau dies gefordert: Mehr Eigenverantwortung der Schulleitungen in der Pandemie. Deshalb ist es auch nicht weiter überraschend, dass er sehr zufrieden mit der neuen Corona-Verordnung für Schulen ist, »weil sie uns genau den Gestaltungsspielraum gibt, den wir im Moment brauchen«, so Plehn. Man könne nun genau so handeln, wie man sich das gewünscht habe und wie es die Infektionslage an den Schulen erfordere. Die erforderliche Zustimmung der zuständigen Schulaufsichtsbehörde sei dabei kein Problem, »denn lieber habe ich Gestaltungsraum, dafür aber auch eine Rechenschaftspflicht«.

Einen Punkt hätte er aber gerne noch angepasst: »Ich halte es für zwingend notwendig, dass wir nach wie vor die Anzahl der Testungen hochhalten. Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn wir eine Regelung bekommen würden, dass nicht-immunisierte Schülerinnen und Schüler, oder Schüler, deren Impfung schon länger zurückliegt, täglich getestet werden, alle anderen zwei- bis dreimal pro Woche.« Nur so, ist der Schulleiter überzeugt, könne man die infizierten Schülerinnen und Schüler schnell identifizieren und damit den Präsenzunterricht vielleicht sogar die ganze Zeit, oder wenigstens in großen Teilen, aufrecht erhalten.

- Wie sieht der Philologenverband die neue Situation?

»Angesichts der Ausbreitung der Omikron-Variante und des alles andere als optimalen Gesundheitsschutzes im Unterricht besteht weiterhin die Gefahr von Schulschließungen«, ist sich ihr Vorsitzender Ralf Scholl sicher. Er sieht die Entscheidung des Kultusministeriums zu mehr Eigenverantwortung der Schulen eher kritisch: »Es ist zwar gut und sinnvoll, dass es die Möglichkeit für lokale Entscheidungen gibt. Gleichzeitig fehlen aber bislang jegliche Kriterien, wann in den Fernunterricht oder den Hybridunterricht gewechselt werden kann bzw. muss«, moniert er. Das Kultusministerium schiebe so die Verantwortung komplett auf die Schulleitungen ab. Mit der aktuellen Regelung müssten Schulleitungen die Verantwortung schultern, die das Kultusministerium nicht übernehmen wolle. Begrüßt wird vom Lehrerverband die angekündigte Bereitstellung von zusätzlichen 2,6 Millionen FFP2-Masken die das schulische Personal aus dem Bestand des Landes erhalten soll.

- Was sagt der Vorsitzende des Landeselternbeirats zu den neuen Vorgaben?

Michael Mittelstaedt ist ein gewisser Frust über Ministerien, Schulleitungen und Pandemie-Situation anzumerken. Wo seien denn die klaren Vorgaben, ab wie viel Prozent Lehrerausfall sei zum Beispiel »dieser schulorganisatorische Grund gegeben«, bei dem eine Schule in den Distanzunterricht wechseln könne, fragt er. Richtig sauer wird er, wenn es um die neuen Regelungen der Notbetreuung geht: »Notbetreuung nur bei beruflicher Tätigkeit, Unabkömmlichkeit und Angabe der Zeiträume. Das ist eine unsägliche Frechheit gegenüber den Eltern, hier solch exzessive Nachweise zu fordern!«, so Mittelstaedt. Nach zwei Jahren Organisationsversagen in der Kultusverwaltung sei dies ein Schlag in die Gesichter der Eltern. Für die Berechtigung der Notbetreuung müsse es reichen, die Berufstätigkeit nachzuweisen oder einfach zu erklären.

- Findet der Verband Bildung und Erziehung (VBE) die Entscheidung zu mehr Eigenverantwortung der Schulen in der Pandemie praxistauglich?

»Die Lösung ist sehr praxistauglich und kommt den Schulen vor Ort zugute«, ist sich der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand sicher. Er begrüßt die Maßnahmen und bewertet auch die Vorgabe, dass die Vorgehensweise mit den zuständigen Schulaufsichtsbehörden abgesprochen werden müsse als sinnvoll: Dies trage dazu bei, dass Schulen nicht Gefahr laufen, zwischen verschiedenen Interessen zerrieben zu werden.

Auch die Ausstattung der Lehrkräfte mit FFP2-Masken begrüßt er, sei dies doch schon lange eine Forderung des VBE gewesen, die bisher immer abgelehnt worden sei. »Es wäre aber auch sinnvoll, Schülerinnen und Schülern FFP2-Masken zur Verfügung zu stellen.« Ein Problem sieht Brand vor allem bei den Testungen: Es gebe Rückmeldungen von Schulen, dass die Versorgung mit Testkits nicht immer ausreichend sei. »Schulen sagen da sehr deutlich: Wenn keine Tests vorhanden sind, bleiben die Schulen zu. Hier also die Bitte von uns an die Kommunen: Hier muss langfristig geplant werden, die Schulen müssen ausreichend mit Tests versorgt werden.« (GEA)