REUTLINGEN. Die Coronazahlen schießen bundesweit in die Höhe. Deutschland verzeichnete am Freitag den traurigen Rekord von 37.120 gemeldeten Neuinfektionen. Auch in den Landkreisen Reutlingen und Tübingen steuern die Zahlen Höchstwerten entgegen. Ein wesentlicher Baustein in der Pandemie-Bekämpfung waren bislang die Gesundheitsämter. Dort arbeiten Mitarbeiter seit Monaten mit Hochdruck daran, Kontakte von positiv Getestenen nachzuverfolgen und Infektionsketten zu durchbrechen. Mitten in der vierten Welle ändert das Sozialministerium jetzt das sogenannte Fall- und Kontaktpersonenmanagement.
Positiv getestete Personen und enge Kontaktpersonen werden von den Gesundheistämtern künftig nicht mehr routinemäßig benachrichtigt. Das heißt: In den meisten Fällen müssen Erkrankte das Informieren jetzt selbst und freiwillig übernehmen. Stattdessen wolle man sich künftig noch stärker auf größere Ausbruchsgeschehen und den Schutz vulnerabler Gruppen konzentrieren, heißt es in einer Pressemeldung des Sozialministeriums. »Die Ermittlung von Fällen und Kontaktpersonen muss dort gewährleistet werden, wo Personen besonders gefährdet sind, wie beispielsweise in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen«, begründet Amtschef Uwe Lahl den Kurswechsel.
Apps keine große Hilfe im Reutlinger Gesundheitsamt
Nötig wurde die Strategie-Änderung allerdings auch deshalb, weil die Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung seit Beginn der Pandemie massiv überfordert sind. Um mit den steigenden Infektionszahlen fertig zu werden, hat beispielsweise das Reutlinger Kreisgesundheitsamt in der Vergangenheit immer mehr Personal rekrutiert. Von Oktober vergangenen Jahres bis Juni 2021 halfen außerdem Soldaten der Bundeswehr, Infektionsketten zu durchbrechen. Als Hoffnungsträger galten auch digitale Lösungen wie Corona-Warn-App und Luca-App.
Die haben beim Kontaktpersonenmanagement im Reutlinger Gesundheitsamt jedoch keinen signifikanten Beitrag geleistet, sagt Katja Walter, die Pressesprecherin des Reutlinger Landratsamts, auf GEA-Nachfrage. »Nur in Einzelfällen konnten die Apps unterstützen.« Trotzdem seien vom Kreisgesundheitsamt Reutlingen bisher alle positiv gemeldeten Fälle ermittelt und kontaktiert worden. Ebenso habe man die Kontaktpersonennachverfolgung nach den Maßgaben des Sozialministeriums eingehalten.
Rückstände drohten
Ende Oktober hat sich die Situation im Kreisgesundheitsamt dann verschärft. Fallermittlungen sollen - so die Vorgabe des Sozialministeriums - grundsätzlich innerhalb von 24 Stunden begonnen werden. »Es war jedoch absehbar, dass diese zeitliche Vorgabe in Zukunft nicht mehr eingehalten werden kann und Rückstände entstehen werden«, sagt Walter und ergänzt: »Daher begrüßen wir auch den landesweiten Strategiewechsel.«
Künftig werden vom Reutlinger Kreisgesundheitsamt also nur noch positiv auf das Coronavirus getestete Personen und deren Kontaktpersonen benachrichtigt, wenn ein Zusammenhang mit Häufungen und bestimmten vulnerablen Bereichen wie etwa Kliniken und Pflegeinrichtungen besteht. Walter betont aber: »Es gelten für positiv auf das Coronavirus getestet Personen und deren Haushaltsangehörige die entsprechenden Absonderungspflichten. Diese werden auch weiterhin von den Behörden kontrolliert.« (GEA)