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Reutlinger Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke kandidiert nicht mehr für den Bundestag

Debatten, die kaum mehr auszuhalten seien, Fake News aus der Opposition und vielleicht bald eine Rolle rückwärts beim Bürgergeld. Für die Reutlinger Grünen-Bundestagsabgeordnete alles Gründe, warum für sie nach 16 Jahren Schluss ist.

Die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke.
Die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke. Foto: STEFAN KAMINSKI
Die Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke.
Foto: STEFAN KAMINSKI

BERLIN/REUTLINGEN. Die Reutlinger Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke (Grüne) wird bei der kommenden Bundestagswahl 2025 nicht mehr kandidieren. Dies gab die 64-Jährige in einer Pressemitteilung bekannt.

Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen, sie habe heftig mit sich gerungen und für den Entschluss viel Zeit gebraucht. Denn, so schreibt die Bundespolitikerin: »Ich mache leidenschaftlich gerne Politik.«

Müller-Gemmeke ist seit 2009 Abgeordnete im Deutschen Bundestag. Davor war die Sozialpädagogin 25 Jahre als Gemeinderätin in ihrer Heimatgemeinde Pliezhausen aktiv. Zwischen 2004 und 2009 gehörte sie dem Reutlinger Kreistag an. Mit ihren Schwerpunkten Sozial- und Arbeitsmarktpolitik war sie 2009 die erste Frau und erste Grüne, die den Wahlkreis Reutlingen über die Landesliste in Berlin vertrat.

»Die politische Richtung beim Bürgergeld kann ich nicht mitgehen«

»Ich bin durch und durch Fachpolitikerin und möchte durch gute, progressive Gesetze das Zusammenleben in unserer Gesellschaft gestalten«, schreibt Müller-Gemmeke in ihrer Erklärung. Ihre ersten drei Legislaturperioden in der Opposition seien zwar durch Herausforderungen geprägt gewesen – Bankenkrise, steigende Zahl von Geflüchteten und Pandemie – mit dem Einzug der AfD habe sich das Klima im Bundestag aber spürbar verändert. »Die Verbreitung von rassistischem Gedankengut im Bundestag ist für mich bis heute nur schwer zu ertragen«, schreibt sie.

Ihr Ziel sei immer gewesen, Ökologie uns Soziales miteinander zu verbinden, hier hätten sie und die Grünen auch einige Erfolge vorzuweisen. Beim Thema Bürgergeld hätten die Grünen »zentrale Verbesserungen« durchgesetzt. Auch Müller-Gemmeke war Teil der Verhandlungen.

Der Grund für ihren Rückzug aus der Bundespolitik liege vor allem auch in den Debatten der letzten Zeit, die für Müller-Gemmeke »fast nicht auszuhalten« seien. Den Umgang mit der Flüchtlingspolitik mit immer schärferen Forderungen aus der Opposition hält die Grünen-Politikerin für falsch. »Probleme mit der Sicherheit können nicht mit der Asyl- und Migrationspolitik gelöst werden«, ist sie überzeugt. Der Schutz von Geflüchteten und das Recht auf Asyl sei eine »historische und humanitäre Verpflichtung«, die für Müller-Gemmeke nicht verhandelbar sei.

»Ihr Engagement hat bleibenden Eindruck hinterlassen«

Noch schwerer zu ertragen wären für sie, so sagt sie es gestern dem GEA, die »mittlerweile toxische Debatte um das Bürgergeld. Es werden hier auch aus der CDU immer wieder Falschmeldungen verbreitet, die mich fassungslos machen.« Ihr Rückzug sei keine Kritik an den Grünen, betont Müller-Gemmeke. »Doch die politische Richtung beim Bürgergeld kann ich nicht mitgehen.« Sie sei nicht bereit, in der Zukunft Kompromisse mitzutragen, die durch ein vergiftetes Klima entstünden.

Der Reutlinger Landtagsabgeordnete Thomas Poreski meint zur Ankündigung seiner Parteikollegin: »Ich bin dankbar für die Zeit, die Beate Müller-Gemmeke für Reutlingen im Bundestag saß und uns dort vertreten hat.« Sie habe sehr viel Energie und Herzblut in ihre Arbeit gesteckt, der Schritt sei ihre private Entscheidung, die er zwar bedauere, aber natürlich respektiere.

Auch Cindy Holmberg, Landtagsabgeordnete im Wahlkreis Hechingen-Münsingen und frühere Mitarbeiterin im Reutlinger Wahlkreisbüro von Müller-Gemmeke, bedauert, dass die Abgeordnete nicht mehr zur Wahl antreten wird. »Ihr unermüdliches Engagement in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik hat bei vielen einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Sie war eine starke soziale Stimme für den Wahlkreis Reutlingen in Berlin«, so Holmberg. Sie danke Müller-Gemmeke für ihre wertvolle Arbeit, ihren unermüdlichen Einsatz in den vergangenen Jahren und ihre Unterstützung für starke Frauen in der Politik.

»Nach 16 Jahren im Bundestag ist es jetzt auch gut«

Aus informierten Parteikreisen ist zu hören, dass sich bisher im Wahlkreis Reutlingen bei den Grünen nur eine Person offiziell als Kandidat für die Bundestagswahl beworben hat. Diese Person ist in Reutlingen kein Unbekannter. Es soll sich um den frisch gewählten 19-jährigen Gemeinderat Jaron Immer (Grüne und Unabhängige) handeln.

Und wie geht es nun nach der Legislaturperiode bei Müller-Gemmeke weiter? "Ich werde weiterhin eine Grüne sein und mich in grüne Politik einbringen", sagt sie am Telefon. Sie wolle zurück an die Basis und sich dort vor allem für die Demokratie einbringen. »Nach 16 Jahren im Bundestag ist es jetzt auch gut«, so die Bundestagsabgeordnete. Nach ihrer Zeit als Abgeordnete werde sich "etwas auftun, darauf vertraue ich". Eines wisse sie allerdings ganz sicher: Sie werde weiterhin engagiert und aktiv sein. (GEA)