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Reutlingen scheitert vor Verfassungsgerichtshof

Reutlingen will den Landkreis verlassen. Der Landtag lehnte das ab, die darauf folgende Beschwerde wies der Verfassungsgerichtshof heute zurück. Ist das Thema damit vom Tisch? OB Thomas Keck und Landrat Reuman sind unterschiedlicher Meinung.

STUTTGART. Die Stadt Reutlingen hat in ihrem Bestreben Stadtkreis zu werden einen herben Rückschlag erlitten. Wie der Stuttgarter Verfassungsgerichtshof heute mitteilte, erklärten die Richter eine Verfassungsbeschwerde der Stadt für unzulässig. Reutlingen hatte die Beschwerde vor mehr als einem Jahr eingereicht, weil der Landtag ihren Antrag auf Gründung eines Stadtkreises abgelehnt hatte.

Im Juli 2015 hatte die 116.000-Einwohner-Stadt Reutlingen beantragt, den gleichnamigen Landkreis verlassen zu wollen. Die grün-schwarze Regierungskoalition und die FDP im Landtag erteilten dem im Dezember 2018 eine Absage. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts hat diese Absage keine Rechte verletzt, die die Stadt Reutlingen für sich beanspruchte.

Für Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck ist das Thema Stadtkreisgründung nach dem Urteil noch nicht komplett vom Tisch. »Natürlich sind wir enttäuscht«, sagte der OB auf GEA-Nachfrage und ergänzt: »Man muss aber auch ganz klar sagen, dass die Entscheidung nicht gegen die Bildung eines Stadtkreises ist, sondern dass die Klage nicht zulässig ist.« Ähnlich äußerte sich auch Verwaltungsbürgermeister Robert Hahn zu der Entscheidung: »Wir sind wieder auf der Basis dessen, was der Landtag entschieden hat.« 

Thomas Keck ging sogar noch einen Schritt weiter. Er sei gefragt worden, ob er die Zitrone annehme und jetzt sauer sei. »Ja«, sagte Keck, »Ich nehme die Zitrone an. Aber wir sind nicht sauer.« Zitronen seinen voller Vitamine, und die brauche man jetzt, um weiter für eine Stadtkreisgründung oder zumindest die Übernahme weiterer Zuständigkeiten vom Landkreis zu kämpfen.

Anders bewertet Landrat Reuman das Urteil. »Ich begrüße die Entscheidung sehr, denn sie schafft Klarheit«, sagte Landrat Thomas Reumann am Nachmittag als erste Reaktion. Eine sieben Jahre dauernde »Hängepartie« sei damit beendet. Legislative, Exekutive und nun auch die Judikative seien zum gleichen Urteil über die Auskreisungsbestrebungen  der Stadt gekommen. »Damit ist die Auskreisung vom Tisch«, wertete Reumann die gestrige Entscheidung. Die Solidargemeinschaft aus Kreis und Stadt bleibe erhalten.

Es gelte, nach vorne zu blicken und die Gespräche zu führen, die der Landtag eingefordert hatte – Einigungsgespräche zwischen Kreis- und Stadtverwaltung über verstärkte Möglichkeiten der Zusammenarbeit und über die Forderungen der Stadt. Als Schnittstellen, bei denen die Zusammenarbeit vertieft werden könne, nannte Reumann die Jugendhilfe, die Regionalstadtbahn, die Integration Geflüchteter und den Kulturbereich. Es sei Zeit, »Verbindendes deutlich zu machen«. Der Kreis habe schon unmittelbar der ablehnden Haltung des Landtags die Empfehlung aus Stuttgart ernst genommen, sich mit der Stadt an einen Tisch zu setzen. »Unsere Hand bleibt ausgestreckt«, sagte Reumann.  

Stadt Reutlingen nicht beschwerdefähig

Die Verfassungsbeschwerde wurde unter anderem deshalb zurückgewiesen weil die Stadt Reutlingen nicht beschwerdefähig sei, teilte der Verfassungsgerichtshof in einer Pressemeldung mit. Die Stadt könne mit einer Verfassungsbeschwerde nach § 55 Abs. 1 des Gesetzes über den Verfassungsgerichtshof nicht die Verletzung von Rechten geltend machen, die ihr die Landesverfassung als Gemeinde gewährt. 

Außerdem argumentierten die Richter, dass die von der Stadt für den Fall der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde der Sache nach erbetene Behandlung des Verfahrens als ein solches nach Art. 76 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) ebenfalls nicht zu einer inhaltlichen Überprüfung der Entscheidung des Landtags über ihren Antrag auf Erklärung zum Stadtkreis führt.

Die Stadt habe im vorliegenden Verfahren selbst betont, dass sie nicht davon ausgehe, einen Anspruch gerade auf Erlass des Gesetzes nach § 3 Abs. 1 GemO zu haben. Sie räume damit der Sache nach ein, dass die derzeitige Gesetzeslage verfassungsgemäß sei. Ein Antrag nach Art. 76 LV könne jedenfalls nur gegen eine verfassungswidrige Gesetzeslage gerichtet werden (rh/co/lsw/pm)

Umfrage (beendet)

Sollte Reutlingen seine Bemühungen, Stadtkreis zu werden, einstellen?

Der Landtag hatte das Vorhaben abgelehnt, die Stadt hatte daraufhin Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingelegt. Diese wurde nun zurückgewiesen.

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Pressemitteilung

Urteil